Bottrop. Familie Visser aus Bottrop wird vom Kinder- und Jugendhospizdienst begleitet. Wie lange Josi noch leben wird, weiß ihre Mutter nicht.

Ein bisschen irritiert ist Josi schon. So viele Leute sind an diesem Tag zu Besuch. Aber die Ablenkung dauert nur kurz, dann widmet sie sich wieder voller Begeisterung ihrem Spielzeug. Sie drückt Knöpfe auf einem bunten Keyboard, lässt Melodien erklingen und lächelt. So wie ihre Mutter Annika Visser. Josi ist elf Jahre alt und mit Monosomie 1P36 geboren. Wie lange sie noch leben wird, das weiß ihre Mutter nicht.

„Josis Herz wird immer schwächer. Momentan arbeitet es noch zehn Prozent. Der Arzt sagt, es ist ein Wunder, dass sie so fidel und aktiv ist“, erzählt Annika Visser. Die 35-Jährige streicht ihre blonden Haare aus der Stirn. Verbittert oder traurig wirkt sie nicht. „Natürlich waren wir das am Anfang und auch jetzt kommt es immer wieder mal hoch. Das ist ja klar“, sagt sie und erinnert sich daran, wie man ihr mitteilte, dass ihr Kind nicht mehr lange zu leben habe. Sechs Monate gaben ihr die Ärzte noch. „Unsere Tränen und die Trauer hat Josi mitbekommen und es gar nicht gut verkraftet. Dann haben wir uns entschlossen, positiv in die Zukunft zu schauen und das Beste und Schönste aus der Zeit zu machen, die wir noch haben. Die Prognose ist inzwischen zwei Jahre her“, sagt Visser und lächelt wieder.

Keinen Anspruch auf Pflegedienst

Unterstützung bekommt die Familie dabei vom Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Emscher-Lippe. Einmal in der Woche schaut eine ehrenamtliche Mitarbeiterin vorbei und greift Annika Visser unter die Arme. „Wir reden viel und ich kann in der Zeit auch mal kurze Erledigungen machen“, erklärt die 35-Jährige. Vorher sei das kaum möglich gewesen. „Für einen Pflegedienst ist Josi zu gesund, sagt die Krankenkasse“, so Visser, deren Tochter aber nicht einmal mehr laufen kann.

Doch nicht nur die Unterstützung durch den Hausbesuch weiß die ehemalige Krankenschwester, die ihren Beruf aufgegeben hat, um sich um ihre kranke Tochter zu kümmern, zu schätzen. „Man kommt in Kontakt mit Eltern, die in einer ähnlichen Situation sind. Mit denen man sich austauschen kann, Probleme gemeinsam lösen kann. Das ist ganz wichtig“, betont sie. Natürlich habe sie sich zu Beginn strikt geweigert, Kontakt mit einem Hospiz aufzunehmen. „Das klingt so“, Visser macht eine Pause, „endgültig. Das möchte man vielleicht auch erstmal nicht wahrhaben.“„Aber“, meldet sich Alexandra Rose zu Wort „wir arbeiten ganz anders als ein Hospiz für Erwachsene“, sagt die Koordinatorin des Dienstes. „Wir begleiten das Leben und wollen es für alle Beteiligen so schön und stressfrei wie möglich machen.“

Ein halbes Jahr Vorbereitung

Nächster Befähigungskurs im September

Der Ambulante Kinder- und Jugendhospizdienst Emscher-Lippe begleitet Familien unter anderem in Bottrop, Gladbeck, Gelsenkirchen, Dorsten, Dinslaken, Voerde, Hünxe, Schermbeck, Oberhausen und Raesfeld. Wer gerne ehrenamtlicher Mitarbeiter werden möchte, kann sich zunächst beim Team des Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes beraten lassen.

Ein neuer Befähigungskurs startet im September. Für die Mitarbeit werden im Vorhinein keine besonderen Qualifikationen benötigt. Kontakt: 02043 987 27 40

Wichtigster Bestandteil dieser Arbeit ist die Unterstützung durch Ehrenamtliche. Eine solche ist auch Marion Elsner. Die 53-Jährige ist gelernte Erzieherin, kann ihren Beruf aber krankheitsbedingt nicht mehr ausüben. „Ich finde es wunderbar, für den Kinder- und Jugendhospizdienst tätig zu sein. Wenn ich Eltern und Kindern in dieser schweren Zeit helfen kann, dann macht mich das glücklich“, sagt die Bottroperin.

Derzeit arbeiten 26 ehrenamtliche und vier fest angestellte Mitarbeiter für den Kinder- und Jugendhospizdienst. Betreut werden derzeit 25 Familien. „Und vier neue Familien stehen noch auf der Warteliste“, sagt Rose, die sich über jeden neuen Mitarbeiter freut. Elsner erklärt, dass alle Ehrenamtlichen über ein halbes Jahr lang bestens auf die anstehenden Aufgaben und die Arbeit in den Familien vorbereitet werden.

Mit grünen Bändern macht der Deutsche Kinderhospizverein jährlich auf den Tag der Kinderhospizarbeit aufmerksam.
Mit grünen Bändern macht der Deutsche Kinderhospizverein jährlich auf den Tag der Kinderhospizarbeit aufmerksam. © FUNKE FotoServices | Heinrich Jung

„Wir haben zwei Jahre gebraucht, um uns für die Betreuung durch den Kinder- und Jugendhospizdienst zu entscheiden“, erinnert sich Annika Visser. Eine weitere Hemmschwelle sei nämlich auch die Ehrenamtlichkeit gewesen. „Ich hatte erst ein schlechtes Gewissen. Schließlich opfern diese Menschen ihre kostbare freie Zeit, um einem kranken Kind zu helfen. Das kann auch sehr belastend sein“, erklärt Visser. Elsner kann Josis Mutter und andere Eltern, die zweifeln, aber beruhigen: „Jeder, der hier Ehrenamtlicher ist, hat sich aktiv dafür entschieden.“

Annika Visser lächelt wieder und Josi lacht. Sie hat sich ein Bilderbuch genommen. Kinder spielen darin am Strand. „Heute hat sie einen guten Tag. Die kommen in letzter Zeit immer öfter vor“, sagt ihre Mutter glücklich. Natürlich weiß sie, dass sich das auch schnell wieder ändern kann. Aber, „der nächste Urlaub nach Holland ist gebucht“, sagt sie. „Wir werden jeden Tag genießen.“