Bottrop. . Die Betriebe stellen sich auf diverse Szenarien ein, von Zöllen bis zu Grenzkontrollen. Die IHK rät zur Vorbereitung auf den schlimmsten Fall.
Ende März will Großbritannien aus der EU austreten. Der „Brexit“ wird Auswirkungen vor Ort haben, denn etliche Unternehmen pflegen wirtschaftliche Beziehungen zum englischen Königreich. „Für die Unternehmen ist es unglaublich schwer, dass sie 50 Tage vor dem Brexit-Termin nicht wissen, wo es hingeht“, weiß Peter Schnepper, Geschäftsbereichsleiter International bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen.
Gebe es einen harten, ungeregelten Brexit? Werde der Beginn verschoben? Oder werde doch noch ein Vertrag geschlossen, der Detailregelungen enthält? Eine ungeklärte Situation – wir haben uns bei Bottroper Unternehmen umgehört, wie sie die Lage einschätzen.
Autotuner betreibt in London einen Showroom
Mit etwas Sorge schaut Brabus auf die Entwicklung zum Brexit. Denn der Automobiltuner betreibt in London auch einen Showroom. In dem stehen Fahrzeuge, die Brabus gehören. Innerhalb der EU ist das kein Problem, auch wenn sie dann später in Großbritannien verkauft werden.
Scheidet das Vereinigte Königreich gar ohne Abkommen aus der EU aus, könnte es sogar sein, dass Brabus die Wagen kurzzeitig zurückholen werde, um sie dann nach den neuen Bestimmungen wieder nach Großbritannien zu überführen, sagt Sprecher Sven Gramm. Für Unternehmen wie Brabus sei es aber wichtig, dass Klarheit herrscht.
Brabus hat große Export-Erfahrung
Denkbar sei ja auch, das künftig Zölle für die Einfuhr nach Großbritannien fällig würden. Das sei für Brabus kein so großes Problem, sagt Gramm. Dadurch, dass das Unternehmen viel auch in Länder außerhalb der EU exportiert, gebe es einen Kollegen, der sich nur darum kümmert. „Was wir halt nicht wissen, ob die Organisation in Großbritannien dann reibungslos klappt, ob es da überhaupt genügend Zöllner für einen solchen Fall gibt.“
Es ist also mehr die fehlende Klarheit organisatorischer Fragen, die Brabus umtreibt, nicht die generelle Sorge ums Geschäft auf den britischen Inseln. „Die Kunden, die wir da haben, werden dort auch weiterhin leben.“
Spedition Rottbeck steuert regelmäßig Großbritannien an
Zwei- bis dreimal pro Woche macht sich ein Lkw von Frank Rottbeck auf den Weg nach Großbritannien. Der Wagen steuert den britischen Partner der Bottroper Spedition an – Linienverkehr. Wie sich ein Brexit auf sein Geschäft auswirkt, vermag der Spediteur noch gar nicht genau zu sagen. „Wir gehören ja zum abgeleiteten Bedarf“, sagt er.
Das bedeutet, dass eine Spedition ja erst ins Spiel kommt, wenn anderweitig Geschäfte abgeschlossen wurden. „Wir sind also ein Stück weit abhängig von Entscheidungen, die getroffen werden und von Ängsten, die anderswo vorherrschen.“
Kosten für Verzögerungen müssten die Kunden tragen
Je nachdem wie der Brexit ausfällt, könnten am Ende auch langwierige Zoll- und Grenzkontrollen stehen. „Das ginge auf Kosten der schnellen Lieferkette. Heute können wir innerhalb von 48 bis 72 Stunden Waren an jeden Punkt in Großbritannien liefern.“ Die Kosten für solche Verzögerungen durch Kontrollen und Staus müssten dann seine Kunden tragen, so Rottbeck.
Sein Eindruck ist aber, dass bisher alle hoffen, dass sich EU und Großbritannien doch noch einigen. „Ich hoffe auch, dass da noch Vernunft einkehrt.“ Von seinen britischen Geschäftspartnern weiß er, dass man sich auf der Insel vor allem Klarheit wünscht, in welche Richtung die Reise geht. Dann erst könne man sich richtig vorbereiten. „Wir können ja nicht für alle denkbaren Szenarien gewappnet sein.“
Auf MC-Bauchemie wird der Brexit indirekte Auswirkungen haben
Wenig aufgeregt blickt Claus-M. Müller, Geschäftsführender Gesellschafter der MC-Bauchemie, auf die Entwicklungen: „Der Brexit hat für uns zum Glück nur eine untergeordnete Bedeutung und wir werden ihn eher indirekt als direkt zu spüren bekommen. Wir haben zwar eine Gesellschaft in Großbritannien, diese ist aber relativ klein und das UK-Geschäft
vergleichsweise gering, so dass hier die zu erwartenden Auswirkungen überschaubar sein werden. Unsere irische Gesellschaft ist davon kaum betroffen, da rund 90 Prozent des Geschäftes mit der Republik Irland abgewickelt wird, die ja zweifelsfrei in der EU bleibt.“ Die mittelbare Betroffenheit über den Einfluss des Brexits auf die globalen europäischen Wachstumsraten sei jedoch noch schwer abzusehen.
Kammer rät zur umfassenden Vorbereitung
Zum jetzigen Zeitpunkt rät die IHK den Unternehmen, sich auf den schlimmsten Fall vorzubereiten, den harten Brexit. „Ein weiterer Rat ist, dass die Unternehmen ihre Beziehungen zum Vereinigten Königreich komplett durchprüfen“, sagt Peter Schnepper. Helfen könne dabei eine Online-Checkliste, die die Kammer auf der Internetseite www.ihk.de/brexitcheck zur Verfügung stellt.
„Eines der Hauptprobleme ist die Lieferung von Waren nach Großbritannien oder umgekehrt der Import von Rohmaterial oder Halbwaren“, so Schnepper. Mögliche Zollprüfungen könnten viel Zeit kosten, so dass Waren nicht just in time rüber kommen. „In Dover queren rund 11.000 Lkw pro Tag den Ärmelkanal. Wenn man jeweils nur drei Minuten bräuchte für eine Kontrolle – was dann da wohl passiert?“
Thema Zölle: „Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen, die überwiegend in der EU tätig sind, haben vielleicht noch nie ein Zollformular ausgefüllt.“ Die sollten sich jetzt kundig machen.
Auch neue Bedingungen nach dem Brexit für die Entsendung von Mitarbeitern (etwa für Reparaturen) Richtung UK, für Steuern und Versicherungen sollten im Auge behalten werden, rät Schnepper.
Rund 500 Unternehmen aus dem gesamten IHK-Bezirk exportieren jährlich Waren für etwa 1,6 Milliarden Euro nach Großbritannien.