Bottrop. . Schornsteinfeger Michael Rößler darf keine Berührungsängste haben. Viele fassen die goldenen Knöpfe des Glücksbringers an oder küssen ihn mal.
„Wir Schornsteinfeger haben einen wahnsinnigen Marketingvorteil“, sagt Michael Rößler und lacht. In vielen Haushalten sind er und seine Kollegen gern gesehen. Denn mit den Kaminkehrern kommt das Glück zur Tür hinein. Kurz vor dem Jahreswechsel hat der Kirchhellener Bezirksschornsteinfeger alle Hände voll zu tun. Die tägliche Arbeit auf dem Dach und an der Heizung ist abwechslungsreich. Aber vor allen Dingen ist es ein Job, bei man keine Berührungsängste haben sollte.
7500 Kundentermine haben Michael Rößler und seine beiden Mitarbeiter im Jahr. Das klingt erstmal viel. Doch mit guter Planung schaffen sie zwischen 20 und 35 Kunden an einem Tag. Damit das auch so bleibt, ist der Auszubildende Luca Grzegorzek (18) oft mit dem Rad in Kirchhellen unterwegs. Mit im Gepäck hatte er kleine Zettel für Terminvorschläge. Auf jedem steht meist dasselbe Datum. „So können wir im besten Fall eine ganze Straße am Tag schaffen und müssen nur von Tür zu Tür“, erklärt Rößler.
Zur Arbeitskleidung gehört auch ein Zylinder
Die Zettel werfen die Schornsteinfeger nicht einfach nur in den Briefkasten. Sie schellen immer an, um direkt auf andere Terminwünsche der Kunden reagieren zu können. Außerdem freuen sich die Kirchhellener über den Besuch der Herren in Schwarz. „Man kommt schnell mit den Kunden ins Gespräch. Fünf Minuten hier fünf Minuten da“, beschreibt Azubi Luca Grzegorzek, der seit August dabei ist. Außerdem wollen die Kunden vor allem eines: den Kaminkehrern die Hand geben, um sich eine Portion Glück abzuholen. Wahlweise erzielen aber auch ein Kuss auf die Wange des Schornsteinfegers und das Berühren der goldenen Knöpfe einen ähnlichen Effekt.
Außer diesen gehört zur Arbeitskleidung auch ein Zylinder. „Groß vorstellen müssen wir uns mit der Arbeitskleidung nicht“, sagt Michael Rößler. Hinter der schwarzen Kluft steckt Tradition. Die rußbeschmutzten Hände sind schnell an Hose oder Jacke abgeputzt. Wie der Zylinder einst auf den Kopf kam, weiß Raphael Kampe, der gerade seinen Meister macht. „Früher durften nur die englischen Adeligen einen Zylinder tragen. Als das Kind eines Adeligen in einen Brunnen fiel und der Schornsteinfeger es mit seiner Leiter wieder heraus holte, durfte er zum Dank einen aufziehen“, erklärt der 21-Jährige.
Schornsteinfeger wurden immer wichtiger
Wieso aber haftet das Glück an Schornsteinfegern? Auch dieser Glaube hat Wurzeln, die mehrere hundert Jahre zurückliegen. Damals hatten die Häuser große Kamine mit Kochstellen, in denen sich viel Ruß sammelte. Wenn nicht richtig abgekehrt wurde, entwickelte sich ein Schornsteinbrand. Löschen mussten die Brände damals einfache Bürger mit Eimern – eine Feuerwehr gab es nicht.
„Wenn man das Feuer nicht schnell genug in den Griff bekam, brannten ganze Straßenzüge ab. Die Häuser standen sehr dicht beieinander“, erklärt der 60-jährige Rößler. Um die stark verrußten Kamine regelmäßig zu reinigen und solche Katastrophen zu verhindern, wurden Schornsteinfeger immer wichtiger. „Die Menschen glaubten, wenn ein Schornsteinfeger im Haus war, vor einer Feuersbrunst verschont zu bleiben“, sagt Rößler. Seither sind die Kaminkehrer wandelnde Glücksbringer. Wem das noch nicht reicht, dem bringen die drei Kirchhellener Schornsteinfeger übrigens noch kleine Glücksbringer bei ihren Besuchen mit.
Ein Beruf zwischen Tradition und Moderne
Während die Terminvorschläge noch mit dem Fahrrad von Haus zu Haus gebracht werden, brauchen Rößler und seine Kollegen für die eigentliche Arbeit ein Auto. Das nötige Werkzeug kann nun doch nicht auf zwei Rädern transportiert werden. Zur Standardausrüstung gehört der Kehrleine. Das ist eine schwere Eisenkugel an einer langen Leine. Über der Kugel baumelt eine Art Metallbesen der in den Schornstein hinabgelassen wird. Ähnlich funktioniert die Haspel. Sie wird von unten den Schornstein hinaufgeschoben. Selbst müssen die Kaminkehrer nicht mehr hinauf steigen. Das würde in den meisten Fällen gar nicht gehen. „Viele Schornsteine sind nur 20 mal 20 Zentimeter groß oder sogar noch kleiner“, weiß Michael Rößler.
Neben den traditionellen Werkzeugen ist auch ein Schadstoffmessgerät mit an Bord. „Das Berufsbild verändert sich mit der Heizungstechnik. Wir sind Sicherheitsdienstleister“, erklärt der Bezirksschornsteinfeger. Dazu gehört es auch die Schadstoffe an Öl- und Gasheizungen zu kontrollieren. Zweimal im Jahr müssen die Schornsteinfeger zur Pflichtschulung. Die Arbeit sei ein ständiger Fortbildungsprozess – mit einer innigen Verbindung zur Vergangenheit.