Bottrop/Voerde.. Der Verein Flying Hope transportiert schwer kranke Kinder zu Wunschzielen. Niklas (14) flog vom Flugplatz Schwarze Heide zum Christkindlesmarkt.

Ein Erinnerungsfoto an den aufregenden Tag in Nürnberg von Niklas mit Cousine Charlotte (li.) und dem anderen Begleitengel des Christkinds.
Ein Erinnerungsfoto an den aufregenden Tag in Nürnberg von Niklas mit Cousine Charlotte (li.) und dem anderen Begleitengel des Christkinds. © Unbekannt | Martina Kropp


Einige Male im Jahr starten vom Flugplatz Schwarze Heide aus Maschinen, um eine besonders wertvolle Fracht zu transportieren. Kinder nämlich mit schweren Erkrankungen, denen über das gemeinnützige Piloten-Netzwerk Flying Hope Flüge zwischen ihrem Zuhause und einer Klinik, einem Hospiz, einem Kuraufenthalt ermöglicht werden. Und Niklas (14) zum Beispiel flog über Flying Hope mit seiner Mutter und der Oma zum Nürnberger Christkindlesmarkt. Dort traf er seine Cousine Charlotte (12), eine der beiden Begleitengel des Nürnberger Christkinds.




Seltene Erkrankung des zentralen Nervensystems

Der Teenager aus Voerde leidet an einer seltenen Erkrankung des zentralen Nervensystems, dem Pelizaeus-Merzbacher-Syndrom. „Diese Kinder sind kognitiv meistens relativ fit, aber die körperlichen Einschränkungen sind groß“, erklärt Niklas’ Mutter Martina Kropp. Der Junge braucht den Rollstuhl. Längere Fahrten sind für ihn anstrengend. Und „es ist ein Aufwand“, sagt Martina Kropp.

Von Flying Hope hatte sie über andere Familien aus der „Europäischen Vereinigung gegen Leukodystrophien“ gehört – und nun einfach mal dort angefragt. „Wir haben gesagt, uns würde ein Hinflug reichen“, erzählt sie. „Tatsächlich gab es einen Piloten, der hinflog. Zurück sind wir am gleichen Tag mit dem Zug gefahren.“ Vor dem Flug, gesteht sie, „war ich nervöser als Niklas“. Morgens um 9 Uhr am Flugplatz Schwarze Heide gab es sogar noch ein technisches Problem – am Rolli. Ein Rad ließ sich für den Transport nicht abnehmen. „Da war etwas verrostet vom letzten Urlaub am Meer.“ Niklas muss jetzt noch lächeln, wenn er daran denkt. Zum Glück erwies sich der Flugzeugmechaniker auch als kundig beim Rolli-Reparieren.

In 50 Minuten von der Schwarzen Heide nach Nürnberg

So ging es schließlich in 50 schnellen, ruhigen Minuten mit der Turboprop-Maschine von Pilot Lutz Bunnenberg nach Nürnberg. Niklas hatte großen Spaß an dem Flug – und am Tag mit der Verwandtschaft in Nürnberg sowieso. Zwar regnete es, aber die Familie durfte Charlotte bei ihrem Einsatz aus dem Rathaus heraus beobachten. So aufregend war das, dass Niklas auf der Zugrückfahrt auf seinem Rollstuhlplatz einschlummerte. „So ein Erlebnis beflügelt einen“, zieht Martina Kropp Bilanz. Das halte bestimmt noch eine Weile an – und „daran werden wir uns jetzt schon immer erinnern.“

„Es war schön, die Familie zusammenzubringen für dieses besondere Ereignis“, meint Pilot Lutz Bunnenberg. Der hat seinen Heimatflughafen in Augsburg, ist aber oft in NRW unterwegs. „Wenn sich das verbinden lässt und ich ohnehin einen Termin dort habe, umso besser“, sagt der Familienvater, der mit seinem Einsatz den Kindern Freude und den Familien Entlastung geben möchte. Doch er starte auch extra Flüge nur für Flying Hope.

Zwei Flying-Hope-Piloten an der Schwarzen Heide

Am Flugplatz Schwarze Heide selbst haben auch zwei Flying-Hope-Piloten ihre Maschinen stationiert. Neben Dr. Michael Offermann ist das der Flugzeugbauer und Kunstflieger Walter Extra. „Ich fand gleich, dass das eine tolle Idee ist“, sagt Extra zu dem Vereinsgedanken. „Wir haben hier die entsprechende Infrastruktur, also habe ich sofort zugesagt mitzumachen.“

Flugzeugbauer und Kunstflieger Walter Extra gehört auch zu den Piloten von Flying Hope.
Flugzeugbauer und Kunstflieger Walter Extra gehört auch zu den Piloten von Flying Hope. © Unbekannt | FUNKE Foto Services






Im zweiten Jahr sei er jetzt dabei und habe schon einige Flüge übernommen. „Meistens sind es innerdeutsche Strecken, zum Beispiel zum Kinderhospiz oder zu Spezialkliniken.“ Oft sei es so, dass ein stundenlanger Transport über die Straße zu belastend für die Kinder sei – anders als ein Flug. Wobei zur reinen Streckenbewältigung in kurzer Zeit ja auch noch das Erlebnis hoch über den Wolken kommt. „Häufig fliegen Familien komplett mit. Dann ist es tatsächlich auch ein Gesamterlebnis für die Beteiligten“, so Extra.

Flugplätze verzichten auf Start- und Landegebühren

Er lobt, wie feingliedrig Organisationen zusammenspielen, um die Flüge zu ermöglichen. „Oft ist auch noch ein Krankentransport zum Flugplatz nötig.“ All das wird vom Verein koordiniert. „Das alles hat eine ausgeprägte soziale Komponente, die ich sehr berührend finde.“

Zu dieser sozialen Komponente zählt, dass Flugplätze auf Start- und Landegebühren verzichten. „Wir haben uns mit Flying Hope zusammengesetzt und gesagt, dass wir das unterstützen und Gebühren erlassen“, berichtet Schwarze-Heide-Geschäftsführer André Hümpel. „Der gute Zweck rechtfertigt das.“ Ungefähr drei- bis fünfmal im Jahr gebe es bislang solche Flying-Hope-Flüge ab der Schwarzen Heide.

Kurz vor Heiligabend sollte noch Jonas aus Essen zu einem Entlastungsaufenthalt nach Hamburg zum Kinderhospiz geflogen werden – aber das Wetter spielte nicht mit.

Das Angebot soll noch wachsen

Im Oktober 2010 hat der erste kostenlose Flug von Flying Hope stattgefunden. Gegründet wurde der Verein von Berufspilot Stefan Klebert, der das Konzept in den USA kennen lernte. In der Geschäftsstelle in Düsseldorf werden die Anfragen der Hospize, Krankenhäuser und Eltern aufgenommen. Die erste Kontaktaufnahme erfolgt in der Regel über das Fluganfragenformular auf www.flyinghope.de.

Der Verein ist der Vermittler zwischen den Familien und den 30 Piloten im Netzwerk, die ihre Zeit und ihre Maschinen ehrenamtlich zur Verfügung stellen. Voraussetzung für einen Transport ist, dass die Kinder ihn sitzend absolvieren können. Deutschlandweit kommen pro Jahr über 60 Flüge zusammen, heißt es. Der Verein freut sich über Spenden.

Künftig soll das Angebot wachsen, so Barbara Drauz aus der Geschäftsstelle: „Wir wollen nicht nur auf erkrankte Kinder zugehen, sondern auch auf Kinder aus prekären Verhältnissen.“ Ihnen sollen mit Erlebnis- und Motivationsflügen neue Perspektiven geboten werden.