Bottrop. . Der Flügeltürer von Mercedes ist ein Klassiker. Mit dem 300 SL schufen die Stuttgarter ein Markenzeichen. Bei Brabus werden die Wagen restauriert

Sven Gramm schlängelt sich hinter das Lenkrad dieser Autolegende. Kein leichtes Unterfangen doch der Brabus-Sprecher schafft es, sich durch die Flügeltür hinter das Lenkrad zu klemmen. Dann zeigt er den Trick, den größere oder beleibtere Menschen brauchen, um hinters Steuer zu kommen. Er zieht an einem Hebel und schon lässt sich das Lenkrad nach vorn klappen. Der Abstand zwischen Sitz und Steuer wird größer, das Einsteigen fällt so ein wenig leichter. Doch die Flügeltüren, die den 300 SL zur Automobilikone haben werden lassen, sind nicht unbedingt fahrerfreundlich. Wer ein und aussteigen möchte, der muss den breiten und hohen Schweller überwinden.

Als Einstiegshilfe lässt sich das Lenkrad umklappen, so können größere Fahrer ihre Beine besser unter das Steuer schieben.
Als Einstiegshilfe lässt sich das Lenkrad umklappen, so können größere Fahrer ihre Beine besser unter das Steuer schieben. © Joachim Kleine-Büning

Hellblau und wie frisch aus dem Werk steht der Flügeltürer, Baujahr 1956, im Brabus-Showroom an der Kirchhellener Straße. Doch so gut sah der Klassiker nicht immer aus. Oder wie Gramm es sagt: „Wenn sie den Wagen heute sehen und den Zustand, in dem wir den angekauft haben, würden sie nicht glauben, dass es derselbe ist.“ Vor rund drei Jahren haben die Bottroper Automobilexperten den Wagen gekauft. Zuvor war er auf den Straßen Algeriens, Frankreichs, Deutschlands und zuletzt der Schweiz unterwegs. Zwei Jahre lang haben die Klassik-Experten bei Brabus das Auto restauriert. „Da stecken 4500 Arbeitsstunden drin“, sagt Gramm.

Verschleiß- und Gummiteile ausgewechselt

215 PS stecken unter der Haube, das reicht, um den Wagen auf bis zu 260 Stundenkilometer zu bringen.
215 PS stecken unter der Haube, das reicht, um den Wagen auf bis zu 260 Stundenkilometer zu bringen. © Joachim Kleine-Büning

In der Zeit haben die Mechaniker jede Schraube angefasst und zahlreiche Verschleiß- und Gummiteile ausgewechselt. Auch der Innenraum wurde komplett neu aufgebaut – in der Originalfarbe Creme. Selbst das Leder entspricht dem, das damals verwendet wurde. Das sei eine Frage der Authentizität, sagt Gramm. Das gelte auch für die Sisal-Teppiche im Innenraum.

Gramm öffnet die Haube und gibt den Blick auf den Sechszylinder frei. 215 Pferde stecken unter dem blauen Blech. Klar, heute gibt es Kompaktwagen, die mehr Leistung bringen, doch 1956 war das schon enorm – und reichte je nach Übersetzung der Hinterachse für bis zu 260 Stundenkilometer. „Das war damals ein echter Supersportwagen“, sagt Gramm. 1400 Coupés wurden damals gebaut. Zum Kreis der teils illustren Besitzer gehörten auch Tony Curtis, Romy Schneider, Glenn Ford oder auch Herbert von Karajan. 29.000 DM musste auf den Tisch legen, wer Mitglied dieses erlauchten Kreises werden wollte. Zu der Zeit ein stolzer Preis, aber noch nicht einmal der teuerste Wagen, den Mercedes im Angebot hatte, so Gramm.

Schwergängige Lenkung und Pedale

Der gläserne Behälter für Scheibenwaschwasser.
Der gläserne Behälter für Scheibenwaschwasser. © Joachim Kleine-Büning

Er hatte das Glück und konnte so ein Modell schon einmal fahren. Doch das sei durchaus Arbeit. Hinzu komme im Sommer die Hitze, und außerdem seien Lenkung und Pedale wesentlich schwergängiger als in modernen Autos. Hinzu kommt: Der Flügeltürer hat lediglich Trommelbremsen. Auf der Autobahn sicher auch kein Vergnügen. Doch da gab es schon früher einen Trick, sagt Gramm. „Der 300 SL Roadster hatte Scheibenbremsen. Damals haben sich einige Coupé-Besitzer den Bremssatz für den Roadster besorgt und das Coupé umgerüstet.“

Dann lenkt er den Blick auf ein weiteres Detail unter der Haube: den Behälter für das Scheibenwaschwasser. Der ist durchsichtig, und fasst man ihn an, so stellt man fest, er ist tatsächlich aus echtem Glas. Sicherlich ein Teil, was bei restaurationsbedürftigen Wagen dieses Modells häufiger kaputt ist. „Deshalb kaufen wir solche Teile auf Vorrat, wenn wir sie irgendwo angeboten bekommen“, sagt Gramm. Das gelte für viele Klassik-Teile. Wenn Sammler ihre Sammlung auflösen etwa, schlage Brabus durchaus auch zu. „Aber Mercedes-Benz bietet für seine Klassiker auch viele Neuteile an.“

Prominente Vorbesitzer erhöhen den Preis

Das eigens für den Wagen gefertigte Kofferset nimmt die Form der Karosserie auf.
Das eigens für den Wagen gefertigte Kofferset nimmt die Form der Karosserie auf. © Joachim Kleine-Büning

Wer mit dem Wagen verreisen möchte, wird beim Anblick das Kofferraums enttäuscht. Gramm öffnet die Klappe, der Raum darunter ist voll – außer dem Reserverad passt kaum etwas hinein. Lediglich ein Buch wartet auf den neuen Besitzer. Das dokumentiert die gesamten Restaurationsarbeiten anhand zahlreicher Fotos. So wird deutlich, dass der Kühlergrill aus Messing gefertigt ist oder dass der Unterboden verkleidet wurde. Auch das ein Merkmal dafür, dass der Wagen damals seiner Zeit voraus war, so Gramm. Gleiches gelte für die Alu-Bauteile wie Motorhaube oder Heckklappe. Elf Modelle waren gar komplett aus Aluminium – das kostete allerdings Aufpreis.

Der war auch fällig für das Kofferset, das hinter den Vordersitzen auf der Ablage liegt und festgegurtet ist. Die Koffer wurden eigens für den SL angefertigt, der größere nimmt extra die Form der Karosserie auf, damit er auch hinter die Sitze passt. Auch solche Koffer kaufe man bei Bedarf auf, damit man sie für solche Wagen habe, sagt Gramm. Sie glänzen wie neu im cremefarbenen Leder, passend zur Innenausstattung. „Das ist nicht unbedingt notwendig, aber es vervollständigt so ein Auto. Das sind noch die letzten zehn Prozent“, so Gramm.

Das Armaturenbrett.
Das Armaturenbrett. © Joachim Kleine-Büning

Bleibt am Ende die Frage: Was kostet das restaurierte Exemplar? 1,8 Millionen Euro werden für dieses Modell fällig. Doch die Preise können noch höher sein. Das sei abhängig davon, ob der Wagen etwa Rennsporterfolge vorweisen kann oder aber prominente Vorbesitzer in den Papieren stehen. Dann könnte der Preis auf bis zu 3,5 Millionen Euro steigen, so Gramm. Unrestaurierte Fahrzeuge in schlechtem Zustand würden immer noch für rund 500.000 Euro gehandelt