Bottrop. . Müssen Kinder nach häuslicher Gewalt Umgang mit dem gewalttätigen Elternteil haben? Diese Frage beschäftigte Bottroper Experten bei einem Fachtag

„Wir befinden uns rechtlich in einem totalen Dilemma“, klagen Wiltrud Evers und Silke Kutz vom Frauenzentrum Courage. Wie soll das Umgangsrecht mit dem Kind geregelt werden, wenn es in der Familie zu häuslicher Gewalt gekommen ist? Das ist ein großes Problem. Grund genug, es erneut zum Thema eines Fachtags zu machen.

Den hat der Bottroper „Arbeitskreis gegen häusliche & sexualisierte Gewalt“ in dieser Woche in der Alten Börse veranstaltet. Dem Arbeitskreis gehören neben dem Frauenzentrum Courage, das als zuständige Fachstelle die Koordination übernommen hat, auch das Bottroper Frauenhaus, Gesundheitsamt, Jugendamt, Jobcenter, Polizei und verschiedene andere Einrichtungen in Bottrop an.

Die Kinder sind auch traumatisiert

Der Familienrichter Andreas Hornung referierte vor den Teilnehmern über rechtliche Entscheidungsspielräume und Umgangsregelungen bei häuslicher Gewalt.
Der Familienrichter Andreas Hornung referierte vor den Teilnehmern über rechtliche Entscheidungsspielräume und Umgangsregelungen bei häuslicher Gewalt. © Thomas Gödde

Sie alle kennen die Situation, dass es nach häuslicher Gewalt – fast immer ist die Frau das Opfer – zur Trennung der Eltern kommt und das Umgangsrecht mit dem gemeinsamen Kind geregelt werden muss. Oft entscheiden die Gerichte dann, dass der Vater Umgang mit dem Kind haben darf, unabhängig davon, was vorher alles vorgefallen ist. Besser wäre es, meinen Wiltrud Evers und Silke Kutz, wenn Experten vorher bewerten müssten, ob das überhaupt gut ist fürs Kind. „Kinder, die Zeugen häuslicher Gewalt geworden sind, sind mitbetroffen und schwer traumatisiert“, betont Wiltrud Evers.

Nicht zum ersten Mal war häusliche Gewalt Thema eines Fachtags in Bottrop, aber noch nie gab es so viele TeilnehmerInnen wie diesmal: 90 MitarbeiterInnen aus Jugendämtern und sozialen Einrichtungen, Juristen und Verfahrenspfleger vom Gericht hatten sich dazu bei Courage angemeldet.

Istanbul-Konvention

Mit der Istanbul-Konvention verpflichtet sich Deutschland, alles dafür zu tun, dass Gewalt gegen Frauen bekämpft wird, Betroffene Schutz erhalten und Täter bestraft werden. 28 Mitgliedstaaten des Europarats haben sie unterzeichnet.

In einem Artikel darin heißt es auch, dass Schutz vor Gewalt Vorrang vor dem Umgangsrecht haben muss.

Sie hörten Vorträge einer Rechtsanwältin, eines Familienrichters und des Leiters eines sozial-psychiatrischen Dienstes. In denen ging es beispielsweise um den Konflikt, in den Kinder geraten, wenn sie Gewalt mit erlebt haben, aber Kontakt mit dem gewalttätigen Elternteil haben müssen. Thema waren auch die rechtlichen Spielräume, die Familiengerichte bei ihrer Entscheidung haben.

Eine Stärkung ihrer Sicht sehen die Veranstalterinnen in der im Februar in Deutschland in Kraft getretenen „Istanbul Konvention“ des Europarats, die Frauen besser vor Gewalt schützen soll.