Bottrop. . Der umstrittener AfD-Politiker Björn Höcke greift in Bottrop die Kanzlerin und die anderen Parteien scharf an. Die Parlamente will er verkleinern
Das ist also der Mann, der die Deutschen zum Widerstand gegen die Demokratie anstachelt? Wieder und wieder unterbrachen seine Anhänger den AfD-Spitzenpolitiker Björn Höcke im Lichthof der Bottroper Berufsschule mit frenetischem Beifall - gerade auch dann, als er sich in seiner flammenden Rede für Volksabstimmungen auf Bundesebene einsetzte.
„Volk? Hat er Volk gesagt?“, hielt Höcke irgendwann in seiner Rede inne. Der Rechtsaußen kokettierte geradezu mit dem schlechten Ruf, den er außerhalb seiner Anhängerschar genießt. Kritiker werfen ihm völkisch-rassistische Äußerungen vor. Die AfD wollte ihn aus der Partei werfen, doch er durfte bleiben. „Wenn ein Schiff untergeht und sich nach links neigt, werde ich mich nicht in die Mitte setzen“, wandte sich Höcke an seine Anhänger. „Liebe Patrioten“, begrüßte er die Zuhörer auch.
Höcke greift die Bundeskanzlerin scharf an
Mitten in der Rede blätterte er demonstrativ in einem Heft des Magazins „Der Spiegel“ und zitierte aus der Unterzeile: „Kein Spitzenmann steht so weit rechts wie Björn Höcke. Wer ist der Mann, der die Deutschen zum Widerstand gegen die Demokratie anstachelt?“ Als Waldgänger betitelt ihn das Magazin in Anspielung auf ein Essay des in seinem Frühwerk als nationalistisch geltenden Schriftstellers Ernst Jünger. Ist Höcke also etwa jener „Partisan, der sich gegen die Befehle der verwalteten Welt auflehnt“, wie die Philosophin Thea Dorn Jüngers Waldgänger interpretierte?
Für Höcke jedenfalls sind die Antidemokraten andere: die „Apparatschiks“ bei der CDU, „die sich vollständig dem links versifften Zeitgeist ergeben“ habe oder die „kollabierenden Großkoalitionäre“. Die SPD erwähnte er nicht einmal mit Namen, um so schärfer griff Höcke Bundeskanzlerin Merkel an. „Die Patex-Frau“ nannte er sie, und die „kalte Kanzlerin“. Merkel habe die CDU und das Land heruntergewirtschaftet, sagte er und sorgte sich fast, dass der AfD mit Merkels Rückzug vom CDU-Parteivorsitz das Feinbild abhanden komme. Nicht nur Merkel müsse weg, sondern das Merkel-System, forderte er. Auch die „erstarrte Parteiendemokratie“ zählt für ihn dazu. „Kartellparteien“ nannte Höcke die unterschiedlichen Koalitionsparteien quer durch die Republik und warf ihnen Volksferne vor. Alles sei zu einem „politischen Swingerclub verkommen“. Die Parlamente will der AfD-Politiker verkleinern. Die Kosten für den Politikbetrieb seien viel zu hoch. „Von den Bestechungsgeldern will ich gar nicht erst reden“, brachte Höcke sein Publikum in Stimmung.
Partei-Sprecher verspottet die Bottroper AfD
Der AfD-Politiker hatte noch kein Wort gesagt, da feierten ihn seine Fans schon mit Stehenden Ovationen. Anstatt wie so oft in Anzug und Krawatte war der Politiker in Jeans zum Sakko und mit offenem Hemdkragen zu seinem ersten Auftritt im Ruhrgebiet gekommen. Auch die Rasur schien nicht so akkurat wie üblich zu sein. Das passe besser zum Pott, fand er. Höcke signierte Bücher, posierte mit Anhängern für Handy-Fotos und stellte sich für Kameraleute und Fotografen in Positur.
Eingeladen hatte ihn der AfD-Bezirksverband Münster. Dessen Sprecher Steffen Christ begrüßte Höcke als den „wahrscheinlich ersten AfD-Ministerpräsidenten Deutschlands“. Noch ist der aber erst Spitzenkandidat seiner Partei bei den Landtagswahlen in Thüringen. Christ bedankte sich süffisant beim Bottroper Kreisverband für dessen Boykotterklärung. Dessen Vorstandssprecher Alfred Stegmann hatte demonstrativ seine Teilnahme an der Versammlung abgesagt. Er befürchtet, das die örtliche AfD wegen des Besuchs Höckes als ultrarechter Kreis hingestellt werde. Das sei eine gute Reklame gewesen, spottete Christ. Die Anmeldezahlen zu der Versammlung seien gestiegen. Rund 600 Teilnehmer zählte der AfD-Bezirkssprecher im Lichthof. Zig Stühle im Saal blieben aber leer.
Die letzten Sätze gehen im stürmischen Jubel unter
Rechtsaußen Höcke erzählte den Zuhörern eine Erfolgsgeschichte seiner Partei. „Die AfD ist die erfolgreichste und notwendigste Parteineugründung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“, rief er. Innerhalb weniger Jahre sei sie in alle Landtage eingezogen. „Im Osten ist die Morgenröte eines besseren Deutschlands erkennbar. Nach 2019 wird im Osten keine Politik gegen die AfD mehr möglich sein“, sagte Höcke unter dem lauten Applaus seiner Fans. Doch er sieht seine Partei auch in einer Opferrolle. Er erzählte von verbrannten Autos, zerstochenen Autoreifen, Farbbeutel-Attacken und Pöbeleien auf AfD-Vertreter. Der Verfassungsschutz diene nur der Herrschaftssicherung der „Kartellparteien“, sagte er angesichts der womöglich bevorstehenden Beobachtung der AfD. „Eine Stasi war genug, das wollen wir nie wieder erleben“, rief Höcke.
Von „Regierungsextremismus“ sprach der AfD-Vertreter. Rechtsbrüche wegen illegaler Einwanderung warf er der Merkel-Regierung vor. Die Zerstörung des Sozialstaates werde die Folge der Armutszuwanderung sein, sagte er. Die einst harte deutsche Währung habe die Regierung längst geopfert. Der Euro sei nur noch „eine teuer einbalsamierte Währungsruine“. Scharf ging er mit der Asylpolitik ins Gericht. Die Einwanderungspolitik sei an Multi-Kult-Spinnern ausgerichtet. Höcke nannte das „ein Degenerations- und Dekadenz-Phänomen“. Der AfD-Politiker rechnete Kosten für Einwanderer hoch. Damit könne man viel besser armen deutschen Familien und Rentnern helfen, sagte er. Eine Willkommenskultur für deutsche Kinder, forderte Höcke. „Heimatrecht ist ein Menschenrecht, das gilt auch für Deutsche. Wir wollen keine illegalen Einwanderer integrieren, niemals!“, rief er. Die letzten Sätze seiner Rede gehen im Jubel unter. „Höcke, Höcke“ skandierten seine Anhänger. Der AfD-Rechtsaußen versprach wiederzukommen.