Bottrop. . Ein Bestatter in Bottrop bietet ungewöhnliche Beisetzungen an. „Tree of Life“ heißt das Ritual. Auch die Stadt reagiert auf veränderte Bestattungskultur.

Aus dem Tod wächst neues Leben – so lässt sich die Idee hinter „Tree of Life“, übersetzt Baum des Lebens, zusammenfassen. Aus der Asche eines Verstorbenen wächst in dem Fall ein Baum, der etwa im heimischen Garten eingepflanzt werden kann. Die Idee zu dieser besonderen Art der Bestattung kommt aus der Altmark, in Bottrop bietet Rüdiger Lehr, Geschäftsführer von Bestattungen Fischer, den Tree of Life exklusiv seit einem Jahr an.

Lehr erinnert sich an eine Familie, die auf diese Weise den Vater beerdigt hat. Der Baum steht nun im Garten des Zechenhauses, in dem der Mann – ein alter Bergmann – schon als Hausgeburt zur Welt kam und in dem er sein Leben lang gewohnt hat. Lehr: „Inzwischen wohnt dort die Familie des Verstorbenen und sie kann auf diese Weise den Vater an dem Ort halten, an dem er Zeit seines Lebens gewohnt hat.“

Eigentlich gilt in NRW der Friedhofszwang

In der Baumschule wird die Asche der Verstorbenen mit einem Substrat vermischt, in dem wachsen dann die Bäume heran.
In der Baumschule wird die Asche der Verstorbenen mit einem Substrat vermischt, in dem wachsen dann die Bäume heran. © Tree of Life

Eigentlich gilt in NRW der Friedhofszwang, sprich Verstorbene müssen auf Friedhöfen beigesetzt werden, die Asche von Verstorbenen darf nicht mit nach Hause genommen werden. Doch es gebe eben viele Menschen, so Lehr, die ihn fragten, ob sie die Asche nicht bekommen können. Eine Möglichkeit bietet da der Baum des Lebens. Dadurch wird der Friedhofszwang ausgehebelt, denn der Baum darf später im eigenen Garten eingepflanzt werden.

Doch wie genau funktioniert das System? Der Verstorbene werde ganz normal eingeäschert. Diese Asche gehe dann an eine Baumschule, die speziell auf diese Art von Bestattung eingestellt sei, so Rüdiger Lehr. „Wir arbeiten da mit einer Baumschule in Holland zusammen.“ Dort wird die Urne geöffnet und die Asche wird einem Sub­stratgemisch beigemengt, in dem dann der ausgewählte Wunschbaum wachsen soll. Dieser absorbiert so die Nährstoffe aus der Asche. Das Ganze werde notariell beaufsichtigt. „Der Gedanke dahinter ist dann, dass der Verstorbene sozusagen in dem Baum weiter lebt“, so Lehr.

Unterschiedliche Bäume stehen zur Auswahl

Zur Auswahl stehen ganz unterschiedliche Bäume. So können Angehörige unter anderem einen Ginkgo wählen, Japanische Kirschen, Magnolien, aber auch Eichen, Ahorn oder Birken. Je nach Standort und klimatischen Bedingungen gebe es da auch eine entsprechende Beratung. Schließlich sollen die Gewächse lange überleben. Neben Bottrop ist Lehr auch noch Exklusivpartner von Tree of Life in Oberhausen und Mülheim.

Auch interessant

In der Baumschule wird genau darauf geachtet, dass der Baum angeht und wirklich alles funktioniert hat. Erst rund ein dreiviertel Jahr später bekommen die Angehörigen den Baum dann und können ihn am ausgesuchten Ort einpflanzen. Auf Wunsch begleitet ein Gartenbauer aus Lehrs Team auch diese Schritte. Selbstverständlich, so Lehr, brauche man für diese Art der Beisetzung den entsprechenden Garten und auch den Platz. Und man müsse sich darüber im Klaren sein, dass so ein Baum auch einen Umzug nicht so einfach mitmacht.

Auf Bottroper Friedhöfen ist vieles möglich

Wiesengräber, zum Teil mit Namensstelen, sind besonders gefragt.
Wiesengräber, zum Teil mit Namensstelen, sind besonders gefragt. © Birgit Schweizer

Der Bottroper sieht in dem Baum des Lebens eine neuerliche Erweiterung der Bestattungskultur. Diese sei in einem starken Wandel, Friedhöfe verlören an Bedeutung und diese Form der Beisetzung mit dem Baum sei eben ein sehr naturverbundener Gedanke. Den Wunsch, sich unter einem Baum beisetzen zu lassen, hätten ja viele, sagt Lehr mit Blick auf die Bestattungswälder. Tree of Life gehe noch einen Schritt weiter. „Das verbindet eben diese Naturverbundenheit eines Begräbniswaldes mit dem Wunsch mancher Angehörigen, die Asche mit nach Hause zu nehmen.“

Die klassische Bestattung in der Gruft wird immer weniger nachgefragt, das geht aus den Zahlen der Friedhofsverwaltung hervor. 663 Bestattungen in Familiengräbern zählte die Friedhofsverwaltung im vergangenen Jahr. Nur noch 166 davon entfielen auf die klassische Gruft. Dazu kamen noch 78 Urnenbeisetzungen im Familiengrab.

Urnenstelen und Wiesengräber sind gefragt

Dasselbe Bild beim Blick auf die Zahlen bei den Reihengräbern. Von insgesamt 793 Beisetzungen entfielen gerade einmal 64 auf die klassische Gruft, dazu wurde siebenmal eine Urne in einem Reihengrab beigesetzt. Nachgefragt seien vor allem Urnenstelen, sagt Helmut Lüchtefeld, Leiter der technischen Abteilung Friedhöfe bei der Stadt. „Wir können die Stelen gar nicht so schnell aufstellen, wie sie nachgefragt werden.“ Bis zu drei Urnen können in eine Kammer.

Auch interessant

Neben diesen Urnenkammern bietet die Stadt auf ihren Friedhöfen viele verschiedene Bestattungsarten an. So gibt es auf dem Westfriedhof etwa ein Feld, auf dem die Asche der Verstorbenen verstreut werden kann. Allerdings muss der Verstorbene diesen Wunsch zu Lebzeiten schriftlich festgehalten haben. Ansonsten ist diese Art der Bestattung nicht zulässig. Aber auch unter Bäumen können Urnen begraben werden.

Angehörige wollen geringen Pflegeaufwand

Dazu kommen die Wiesenpflegegrabstätten. Sie erinnern am ehesten an die klassische Gruft, sie haben auch den entsprechenden Grabstein. Allerdings werden die Grabflächen nicht mehr bepflanzt, Stattdessen wird Rasen eingesät und die Stadt übernimmt die Pflege dieser Gräber – indem sie den Rasen mäht. Solche Wiesengräber gibt es auch mit einem Gemeinschaftsgrabmal. Auf einer Stele werden die Namen der auf dem Feld Bestatteten verewigt.

Laut Lüchtefeld seien neben den Urnenkammern auch die Wiesengräber stark nachgefragt. Beide haben gemeinsam, dass Angehörige hier keinen großen Pflegeaufwand haben. „Die Menschen wollen keine Pflegeverpflichtung eingehen und haben es besonders gern, wenn die Stadt die Pflege übernimmt.“