Bottrop. . Erste närrische Session nach dem Krieg spielte sich meist im Privaten oder in wenigen Gasthäusern ab. Von 1939 bis 1949 ruhte der Straßenkarneval.
Bereits als Bottrop noch Dorf war - wenn auch bereits ein großes - feierte man Ende des 19. Jahrhunderts Karneval mit einem Umzug. Denn schließlich gab es seit 1881 auch mit der KG Stellkeswägg die älteste Karnevalsgesellschaft am Ort. Karneval spielte immer eine große Rolle in der überwiegend katholischen Stadt - auch wenn Bottrop nicht zum Rheinland gehört.
Vor 70 Jahren atmeten die Menschen wieder auf
Auch während der NS-Zeit blieb das Karnevalsbrauchtum lebendig, wenn auch unpolitisch. Der zweite Weltkrieg setzte dem Treiben - zumindest öffentlich und auf den Straßen - ein Ende. Aber vor 70 Jahren atmeten die Menschen auf. Der Krieg war seit Mai 1945 zu Ende - Karneval konnte wieder gefeiert werden.
„Natürlich zunächst nur im kleinen Rahmen“, erinnert sich Mia Jungmann. Die Bottroperin, Jahrgang 1929, die es später einmal bis zur Karnevalsprinzessin bringen sollte (siehe Bericht auf dieser Seite), feierte mit 17 Jahren natürlich noch nicht unbeaufsichtigt in der Stadt.
„Wir feierten privat, mit Nachbarn, Freunden oder Verwandten. Die Erwachsenen waren natürlich schon in der Stadt, in den nicht zerstörten oder provisorisch wieder hergerichteten Gasthäusern unterwegs.“ Alles lief erst noch bescheiden ab. „An Süßigkeiten oder das berühmte Fettgebackene war erst nach der Währungsreform zu denken, vorher mussten wir mit allem improvisieren“, erinnert sich die Karnevalistin.
„Man hat sich mehr verkleidet“
Seit dem Ausbruch des Krieges 1939 ruhte in Bottrop der Straßenkarneval. Erst 1949 gab es wieder größere Veranstaltungen. „Da habe ich auch erstmals richtig gefeiert, mit der Großen Karnevalsgesellschaft, natürlich im alten Kolpinghaus“, sagt Mia Jungmann. Das war mit einigen anderen Traditionsgaststätten, die über Säle verfügten, eines der Karnevalszentren in Bottrop. Eines steht fest: „Man hat sich mehr verkleidet, feierte spontaner, jedenfalls kommt mir das aus heutiger Sicht so vor“, sagt Mia Jungmann. Und in jeder Sitzung präsentierte jede Gesellschaft vor allem ihre närrischen Eigengewächse.
„Erst später holte man Schlagersänger oder professionelle Entertainer dazu“, sagt auch Elsbeth Müller, ebenfalls Ex-Karnevalsprinzessin. Sie ist nicht nur in der fünften Jahreszeit aktiv, sondern auch in der Historischen Gesellschaft.
1959 hatte Bottrop wieder seinen Rosenmontagszug
Wo früher, lange vor dem Krieg, vor allem „Stellkeswägg“ das Zepter in de r Hand hatte, waren es später die fünf Gesellschaften, die den Sitzungs- aber auch den Straßenkarneval prägten, so Müller. KG 13, die Große KG, KG Boy, seit 1958 auch die KKG: alle beteiligten sich. Und 1959 hatte Bottrop endlich auch wieder seinen eigenen Rosenmontagszug. Die Jecken mussten nun nicht mehr nach Osterfeld, Essen oder bis ins ferne Rheinland ausweichen.
Die Ansprüche stiegen. Was unmittelbar nach dem Krieg gut genug war, genügte bald nicht mehr. Das stellen Elsbeth Müller und Mia Jungmann unabhängig von einander fest. Vor das Fernsehen brachte die professionelle Konkurrenz aus Mainz direkt in die Bottroper Wohnzimmer. Und Bottrop? Reagierte - auch, in dem man sich zusammenschloss und 1967/68 mit Heinz Eickholt und Ilse Weinberg erstmals ein gemeinsames Stadtprinzenpaar kürte und zur großen Prunksitzung in den Lichthof lud.
Geschichte des Karnevals
Club der Prinzessinnen feiert Silberjubiläum
Ein Club aus 28 gestandenen Frauen mit unterschiedlicher Geschichte: Eines haben sie aber alle gemeinsam. Sie lieben den Karnval und waren alle vor mehr oder weniger langer Zeit Stadtkarnevals-Prinzessin. Ihre Herrschaft währte zwar immer nur eine Session. Aber an ihrem Zusammenhalt ändert auch die befristete Regentschaft nichts.
Mia Jungmann, Jahrgang 1929, ist Alterspräsidentin. Was man der rüstigen Dame, die wie aus der Pistole geschossen erzählt, nicht anmerkt. Sie zierte mit Prinz Helmut Ingendorn 1974 den Rosenmontagszug und die zahlreichen Sitzungen in der Stadt. 16 bis 20 Prinzessinnen sind immer dabei, manchmal sogar mehr, wenn sich die Damen am Freitag nach dem 11. 11. eines Jahres treffen. „Damals war auch Christel Thiehofe von den Plattdütschen dabei, als wir das Treffen ins Leben riefen“ sagt Elsbeth Müller. Bernhardine Lützenburg war erstmals 1993 als amtierende Prinzessin dabei. „Klar schwelgen wir in Erinnerungen, aber wir wollen auch Spaß haben und nebenbei auch etwas Gutes tun“, sagt die Kulturpreisträgerin.
Prinzessinnen sammeln für den guten Zweck
Der Club der Prinzessinnen feiert nicht nur, sondern sammelt auch. „Immer für einen guten Zweck“, sagt Anneliese Schürmann, die 2004 das närrische Volk regierte. „Das Hospiz, die Aktion „Gegenwind“ oder in diesem Jahr die Ernst-Löchelt Kinder- und Jugendhilfe Stiftung“, so Schürmann. 500 Euro kamen beim letzten Treffen zusammen. „Wir wurden ja auch einmal von Bottroper Bürgern getragen und wollen wenigstens ein kleines Zeichen setzen und etwas zurück geben“, sagt Bernhardine Lützenburg.
Die Damen erzählen auch davon, wie sich die Prinzessinnen emanzipierten. „Früher waren wir alle stumm, sprachen nicht in der Öffentlichkeit“, so Mia Jungmann. „Das änderte sich erst mit Christa Postberg 1983, sie hat als erste Prinzessin offiziell an das närrische Volk gesprochen, was seither dazu gehört“, so Bernhardine Lützenburg.
„Die Blumen flogen uns wieder zurück ins Gesicht“
„Mein Rosenmontagszug 1990 wäre fast im Sturm untergegangen“, erinnert sich Elsbeth Müller. „Es stürmte so heftig, die Blumen flogen uns wieder zurück ins Gesicht, meinen Rock musste ich im Rathaus über der Heizung trocknen.“ 1991 wurde Zug wegen des Golfkriegs abgesagt. „Prinzessin Karin Scholand fuhr aber im folgenden Jahr im Zug mit.“
Der Prinzessinnen-Club ist eine unerschöpfliche Quelle - auch der auch der amtierende Prinz schöpfen darf. Aber nur für eine halbe Stunde - und mit einer Rose für jede Ex-Prinzessin. Schließlich will man einmal im Jahr unter sich bleiben.