Bochum-Stiepel. . Autor Andreas Finke bringt ein Heft über den Ersten Weltkrieg in Stiepel heraus. Das harte Leben vor 100 Jahren lässt bis heute erschaudern.
Wo stand auf der Galgenfeldstraße der Galgen? Mit seinem großartigen Buch über die Herkunft von Straßennamen im Bochumer Süden verblüffte der Autor Andreas Finke vor zwei Jahren sogar alteingesessene Stiepeler.
Jetzt schlägt der Hobby-Historiker ein ernstes Kapitel deutscher Geschichte auf: In „Der große Krieg“ erzählt Finke gemeinsam mit dem Arbeitskreis Geschichte des Stiepeler Vereins für Heimatforschung, wie der Erste Weltkrieg nach Stiepel kam und welche Spuren er hinterließ.
Leben fernab der Front
Auf 28 Seiten und mit vielen Illustrationen beleuchtet Finke, wie hart das Leben damals gewesen sein muss und wie schwer auch die Stiepeler unter den Folgen des Krieges litten.
„100 Jahre nach Kriegsende wird viel erzählt von den politischen Ursachen und vom Leid und Schicksal der Soldaten“, sagt Finke. „Wenig ist jedoch zu lesen vom Leben fernab der Front, an der sogenannten Heimatfront.“ Welche Auswirkungen hatte der Krieg zwischen 1914 und 1918 auf den Alltag in der kleinen eigenständigen Gemeinde Stiepel, die erst 1929 eingemeindet wurde? Finke begab sich auf Spurensuche: In den Stadtarchiven in Bochum und Hattingen, in Gesprächen mit vielen Stiepelern und im Fundus seiner eigenen Familie wurde er fündig. Auch die Schulchronik der ehemaligen Stiepeler Dorfschule diente Finke als wichtige Quelle.
Hilferuf eines Friseurs
So entdeckte der Autor etwa, dass die Fertigstellung der Kemnader Brücke um Jahre verschoben werden musste, weil schlicht niemand da war, der sie hätte bauen können. Im „Steckrübenwinter“ 1916/17 fehlte es dramatisch an Kartoffeln. Schulkinder mussten Pflaumenkerne sammeln, um daraus Öl herzustellen. Ein Friseur schaltete im Hattinger Anzeiger einen Hilferuf, weil ihm die Kunden ausgingen: Er hatte sich auf Herrenhaarschnitte spezialisiert.
Geschichtskreis trifft sich in der Pfingstblume
Das Heft „Der große Krieg“ von Andreas Finke ist für 5 Euro in der Ruhrland-Apotheke (Kemnader Straße 330) und im Lottoladen im Rewe-Markt (Kemnader Straße 304) erhältlich.
Der Geschichtskreis des Heimatvereins trifft sich an jedem dritten Montag im Monat um 19 Uhr in der Pfingstblume (Brockhauser Straße 126). Gäste sind willkommen.
Die Stiepeler Dorfkirche musste eine ihrer Glocken abgeben, damit aus dem Metall neue Waffen hergestellt werden konnten. In der Kirche hörten die Menschen den Aufruf, den Krieg zu unterstützen. Pfarrer Wilhelm Schimmel soll für „die wackeren, todesmutigen Feldgrauen“ an der Front lobende Worte gefunden haben.
200 Kriegsgefangene, so fand Finke heraus, waren während des Krieges in Stiepel untergebracht. 193 Stiepeler kehrten nicht wieder heim. Ein Kriegerdenkmal erinnert an sie an der Kreuzung Kosterstraße / Kemnader Straße. „Das war eine harte Zeit“, meint Finke. „Tauschen möchte man mit den Menschen damals wirklich nicht.“