Weitmar-Mark. Zwei Pfadfinderstämme aus Frankreich und Bochum-Weitmar schließen Freundschaft. Dabei war der Anlass für das Treffen eher ein trauriger.
Vor 75 Jahren starb Abbé Pierre Carpentier. Der katholische Priester saß seit 1942 über Monate im Bochumer Zuchthaus – heute Justizvollzugsanstalt Krümmede (JVA) – ein, bevor er durch das Fallbeil der NS-Diktatur starb. Grund genug für die Pfadfinder der „Groupe Abbé Carpentier“ aus Abbeville, mit 20 Leuten zu zwei Gedenkveranstaltungen für NS-Opfer in der JVA und in Dortmund anzureisen. Beim Pfadfinderstamm Kardinal von Gahlen in der Gemeinde St. Franziskus waren sie auf diesem Weg zu Gast. Mit dem Ergebnis, dass die beiden Stämme eine Partnerschaft eingehen.
„Wenn wir Pfadfinder über unsere Landesgrenzen hinweg zusammenhalten, können wir damit gut gemeinsam für Frieden und Versöhnung einstehen“, erklärt Stefanie Hedtfeld, geistliche Leiterin des Weitmarer Stammes. Der französische Pfadfinderleiter Emmanuel Trancart sieht dies ebenso. „Im Gedenken an Abbé Pierre, der sich für die Menschen im besetzten Frankreich damals einsetzte, betonen wir mit dieser Partnerschaft heute das Miteinander und nicht die Trauer über seinen Tod.“
Gegenbesuch im April geplant
Zufrieden mit dieser Entwicklung sind auch Johanna Knott und Alexandra Westerheide, die den Pfadfinderstamm Kardinal von Gahlen leiten. „Wir sind offen für diese Partnerschaft, die uns persönlich verbindet“, erklärt Knott. „Seit August wissen wir von der Idee. Heute freuen wir uns, dass unsere Gäste da sind und kommen ins Gespräch“, ergänzt Westerheide.
Das klappt doppelt gut: beim gemeinsamen Spiel sowie beim Herstellen von Gedenkkränzen. Beides bereiteten die deutschen Gastgeber vor. „Wir stellen solche Kränze her, wenn wir an Tote erinnern wollen“, erklärt Hedtfeld. Mit Pfadfinderin Cloé Auger macht sie sich ans Werk.
Dem Widerstand gegen die Nazis angeschlossen
Das Verbrechen, das Abbé Pierre Carpentier zur Last gelegt wurde: Als Pfadfinderführer schloss er sich 1940 nach der Besetzung Frankreichs dem Widerstand gegen Hitler-Deutschland an. Er half, alliierte Fallschirmspringer und Piloten außer Landes zu bringen. Nach einem Verrat wurde er im Dezember 1941 festgenommen, gefoltert und deportiert.
Carpentier wurde 1938 zum Priester geweiht und arbeitete in Abbeville. 1940 gründete er den Pfadfinderstamm. Dort ist er unvergessen: Ein Platz und Stelen erinnern an ihn, Pfadfindergruppen tragen seinen Namen.
Thomas Delcuze, der mit Emmanuel Trancart den Stamm leitet, schaut zurück. „Abbé Carpentier gründete unseren Stamm um 1940. Er zog es vor, selbst getötet zu werden, anstatt Leute zu verraten. Deshalb ist es eine Ehre für uns, seinen Namen zu tragen“, so der Pfadfinderleiter weiter.
Für die deutschen Gastgeber brachten die Pfadfinder viele Gastgeschenke mit. Das wichtigste war ein Aufnäher mit der Aufschrift „Carpentier 2018“ und der französischen Lilie, der an diese Reise erinnert. Hinzu kamen verschiedene regionale Spezialitäten und eine Einladung zum Gegenbesuch Ende April 2019. „Eine schöne Geste“, findet Stefanie Hedtfeld.
Ein Besuch in der Heimkehrer Dankeskirche mit Museum in der Krypta rundete das Treffen ab. „Mir war wichtig, mit Hilfe der Kirchenfenster an die Not im und nach dem Zweiten Weltkrieges zu erinnern und für Frieden und Versöhnung zu werben“, erklärt Kirchenführer Hajo Salmen.