Bochum. . Im Stadtteil Werne fühlen sich viele WAZ-Leser offenbar nicht besonders sicher. Darauf lässt der WAZ-Stadtteil-Check schließen.
„Die haben heute kein schlechtes Gewissen mehr, sie überfallen Kinder und ältere Leute“, sagt Andrea Schulze. Sie geht gerade durch den Fußgängertunnel der Boltestraße unter dem Hölterweg und meint die Straßenräuber, die fast jeden Tag in Bochum ihr Unwesen treiben. Abends würde sie nicht allein auf die Straße gern. „Ich habe auch Angst, wenn mein neunjähriger Sohn groß wird“, sagt sie.
204 Leser machten mit
Besorgte Stimmen wie diese sind in Werne verbreiteter als in fast allen anderen Stadtteilen mit Ausnahme von Wattenscheid-Mitte. Im WAZ-Stadtteil-Check haben 204 WAZ-Leser aus Werne die Frage, wie sie die Sicherheit in ihrem Stadtteil beurteilen, im Durchschnitt mit der Schulnote 3,42 quittiert. Schlechter schneidet nur Wattenscheid-Mitte ab: Note 3,81.
Hans-Joachim Böhning, Bezirksbeamter der Polizei in Werne, meint allerdings: „Werne ist nicht gefährlicher als andere Orte. Man kann Werne in jedem Fall gefahrlos begehen. Man muss sich nicht ständig umdrehen.“
Mehr Anonymität
Das Stadtbild von Werne ist ein ganz anderes als das im viel wohlhabenderen Eppendorf, das bei unserer Umfrage die Bestnote bekam (1,81): älter, enger, unübersichtlicher, städtischer, mehr ungepflegte Ecken. Vor allem herrscht mehr Anonymität. Umstände, die ein subjektives Gefühl der Unsicherheit fördern können.
Böhning betont aber, dass es in Werne keine offene Drogenszene gebe und keine Beschaffungskriminalität, keine offene Rechts-Links-Szene und zuletzt auch „deutlich weniger Wohnungseinbrüche“.
Unterführung als Angstraum
Der Polizist kennt den Bochumer Osten wie nur wenige. Jahrzehntelang fuhr er Streife, jetzt ist er Ansprechpartner vor Ort für die Bürger auf der Straße. „Wir bemühen uns, Präsenz zu zeigen. Wir sind mit zwei Leuten unterwegs.“ Täglich.
Er weiß, dass es in Werne Örtlichkeiten gibt, die man am besten schnell hinter sich lassen will. Beispiel: die für Fußgänger und Radfahrer nutzbare Bahn-Unterführung zwischen Salweidenbecke und Salzstraße. Ein Angstraum. „Das ist schon schummerig. Wenn hier ein böser Bube lauern würde, wäre das für ihn eine gute Ecke. Hier kann man sich schon unwohl fühlen.“
„Werne braucht mehr Licht“
Als Angstraum empfunden würde auch der Grünstreifen zwischen Kreyenfeldstraße und Zur Werner Heide, weil er nicht beleuchtet sei und mitunter zwielichtige Gestalten herumlaufen würden. „Dunkelfelder erzeugen Angsträume. Ich meine, dass Werne mehr Licht braucht aus Sicherheitsgründen.“
1200 Tatorte in Werne, 320 in Eppendorf
Die Anzahl der im vergangenen Jahr gemeldeten Tatorte in Bochum-Eppendorf und in -Werne unterscheiden sich deutlich. Das deckt sich auch mit dem Ergebnis des Stadtteil-Checks.
Wie die Polizei mitteilt, wurden der Polizei aus Werne rund 1200 Tatorte mitgeteilt, in Eppendorf nur rund 320. Allerdings ist dies nur teilweise miteinander zu vergleichen, weil Werne 14.811 Einwohner zählt und Eppendorf 9539 (Stand Ende 2017).
In der Bochumer Innenstadt wurden der Polizei im vorigen Jahr rund 10.000 Tatorte gemeldet. Das Gebiet umfasst nicht nur die statistischen Bezirke „Südinnenstadt“, sondern auch große Teil der Bezirke „Kruppwerke“ und das komplette „Gleisdreieck“. Außerdem ist zu beachten, dass in der Innenstadt besonders viele Geschäfte angesiedelt sind und deshalb dort auch die vielen Ladendiebstähle mit in die Polizeistatistik aufgenommen werden, die es in den Stadtteilen sehr viel weniger gibt.
Wie hoch die Anzahl der gemeldeten Tatorte in den weiteren Bochumer Stadtteilen ist, teilte die Polizei noch nicht mit. Sie wartet damit noch einige Wochen, weil auch landesweit alle statistischen Kriminalitätszahlen des Jahres 2018 veröffentlicht werden.
Hinter dem Begriff „Tatorte“ verbergen sich sämtliche Straftaten des Strafgesetzbuches, von Sachbeschädigung über Beleidigung und Betrug bis hin zum Verbrechen. (B.Ki.)
Szenenwechsel Werner Hellweg, Haltestelle „Werne-Mitte“, das Geschäftszentrum des Stadtteils. Dort steht Felicitas Erlhoff und wartet auf den Bus: „In Werne fühle ich mich sicher. Ich finde es hier nicht schlimm.“ In der Silvesternacht sei sie allein nach Hause gegangen. Sie gehe auch allein zu den Werner Teichen und zum Werner Feld. „Ich habe keine Panik.“ Sie schlafe manchmal auch bei offenem Fenster.
„Der Hass ist ziemlich groß“
Neben ihr steht Pierre Samuttis (40). Auch er hat keine Angst. Über das Unsicherheitsgefühl einiger Werner sagt er: „Es wird manchmal übertrieben, weil viel geredet wird. Vor allem wird viel über Ausländer gelästert, das kann ich nicht verstehen. Der Hass ist ziemlich groß geworden.“
Auch Siegfried Boenigk (81) sorgt sich nicht, überfallen zu werden. Der Werner fügt hinzu: „Ich gehe aber auch nach 22 Uhr nicht mehr hier her, weil ich das nicht brauche.“