Bochum. Schwere Vorwürfe macht der Gemeinderat der St.-Joseph-Kirche in Wattenscheid dem Bistum Essen. Nun kündigt der Bischof seinen Besuch an.
Die Vorwürfe des Gemeinderats wiegen schwer. Das Bistum Essen habe gewusst, dass der von 2002 bis 2015 in der Wattenscheider Gemeinde St. Joseph tätige Ruhestandspfarrer zweimal wegen sexuellen Missbrauchs von Jungen vorbestraft war. Aber es habe geschwiegen.
„Das Ausmaß der Vertuschung und der Umgang mit den Missbrauchsfällen machen uns fassungslos“, heißt es in einer Erklärung des Gemeinderats, die am vergangenen Sonntag in der Kirche vorgelesen wurde. Nun reagiert das Bistum. Ruhr-Bischof Franz-Josef Overbeck hat seinen Besuch in Wattenscheid angekündigt. Er wird am Sonntag (24.) um 11 Uhr mit der Gemeinde die Messe feiern. „Vor dem Hintergrund der Diskussionen um einen wegen sexuellen Missbrauchs vorbestraften Priester, der einige Jahre als Ruhestandsgeistlicher in St. Joseph gelebt hat, ist dies dem Bischof wichtig“, heißt es in einer Ankündigung des Bistums. „Zudem möchte der Bischof nach dem Gottesdienst persönlich mit den Gemeindemitgliedern ins Gespräch kommen.“
2020 sollen die Fakten auf den Tisch
Aus Sicht von Pia Scholz ist das ein erstes gutes Zeichen. „Ich finde es gut, dass der Bischof nach Wattenscheid kommt. Aber ich habe auch klare Erwartungen. Er soll zugeben, dass das Bistum Erkenntnisse über den Fall hatte, dass Fehler gemacht und die falsche Schlüsse gezogen wurden.“ Nur wenn jetzt alle Fakten schonungslos auf den Tisch kommen, sei der Schaden für die Kirche noch zu begrenzen.
Von daher sei es unverständlich, dass erst im kommenden Jahr Namen von verantwortlichen Personen genannt werden sollen. Scholz: „Das wirkt so, als hoffe man, bis dahin könne das Ganze in Vergessenheit geraten.“ In einer Erklärung, die das Bistum ebenfalls am vergangenen Sonntag in Wattenscheid und in anderen Gemeinden hatte vorlesen lassen, in denen der betreffende Geistliche auch noch tätig war, heißt es, die Ergebnisse einer Untersuchung „sollen im Frühjahr 2020 der Öffentlichkeit vorgestellt werden.“
Kanzlei untersucht alle Fälle
Aufschlüsse soll die Arbeit einer Anwaltskanzlei aus München geben. Sie wurde vom Erzbistum Köln beauftragt, alle Fälle von sexuellem Missbrauch im Bereich des Erzbistums zu untersuchen. „Dabei soll auch herausgearbeitet werden, wer von den Verantwortlichen der Bistümer worüber informiert war und welche Entscheidungen getroffen hat.“ Kritiker sagen: Viele Bischöfe in Köln, Münster und Essen, den drei betroffenen Bistümern, hätten es gewusst. Auch Franz-Josef Overbeck.
Von ihm erwartet auch ein früheres Mitglied des Pastoralteams, dass 2002 in Wattenscheid tätig war, klare Worte. „Er soll sagen, was das Bistum wusste und dass es ihm leid tut“, so die Frau. Sie hatte am vergangenen Sonntag in der Messe eingeräumt, dass das damalige Pastoralteam sich dagegen entschieden hatte, mit dem Wissen über den betreffenden Geistlichen an die Öffentlichkeit zu gehen.
Misstrauen gegenüber dem Bistum
Auch sie versteht nicht, dass Namen und Fakten erst nächstes Jahr genannt werden sollen. Aber sie kündigt an, zur Aufklärung des Falls beizutragen. Alle Briefe an das Bistum und des Bistums an die Gemeinde von damals seien ebenso aufbewahrt worden wie Gesprächsprotokolle und andere Unterlagen. „Diese werden wir der Anwaltskanzlei in München zur Verfügung stellen.“ Den Weg über das Bistum Essen, sagt sie, sollen die Akten besser nicht gehen.