Bochum. . Ein Schlüsseldienst-Fachmann war wegen des Vorwurfs des Wuchers angeklagt. Er hatte einer Wohnungsinhaberin für das Öffnen einer Wohnungstür 800,57 Euro abgenommen. Dabei war die Tür nur ins Schloss gefallen, nicht verriegelt. Der Angeklagte wurde aber freigesprochen.
Ein kleines Malheur musste eine Frau aus Bochum verflixt teuer bezahlen. Ihr war aus Versehen die Wohnungstür zugeschlagen - und der zu Hilfe gerufene Schlüsseldienst nahm ihr nachher 800,57 Euro ab.
Der Schlüssel-Fachmann stand am Dienstag vor dem Amtsgericht in Bochum. Dort wurde ihm ein Vorwurf gemacht, der meist nur redensartliche Verwendung findet, tatsächlich aber auch eine handfeste Straftat darstellt: Wucher! Der Angeklagte wurde allerdings - gegen den Willen des Staatsanwalts - freigesprochen.
Die Misere spielte sich bereits am 20. Januar 2013 ab, ein Sonntag. Über eine Callcenter-Vermittlung geriet die damalige Wohnungsinhaberin an einen 23-jährigen Schlüssel-Fachmann aus Essen, ein Alleinunternehmer. Die Wohnungstür war nur ins Schloss gefallen, nicht abgeschlossen. Trotzdem bohrte der 23-Jährige den Profilzylinder auf und tauschte alles samt Beschlag nagelneu aus. Noch an Ort und Stelle zahlte die Kundin den geforderten Betrag mit einem mobilen Kartenlesegerät, das der Handwerker mitgebracht hatte. Die Frau war trotzdem so verärgert, dass sie zwei Tage später Anzeige bei der Polizei erstattete.
Angeklagter soll eine Zwangslage der Kundin ausgenutzt haben
Die Anklage warf dem Mann jetzt Betrug und Wucher vor. Ein exakter Preis war vor der Arbeit zwar nicht ausgemacht gewesen. Dennoch habe der Mann der Frau erzählt, dass sich die Kosten angemessen und möglichst niedrig gestalten würden. Nur „infolge einer Zwangslage“ habe die Frau diesen Angaben vertraut.
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Der Angeklagte räumte den äußeren Sachverhalt im Grunde ein, auch wenn er sich nicht genau an den Fall erinnern könne. Dennoch forderte sein Verteidiger einen Freispruch. Sein Mandant betreibe einen 24-Stunden-Notdienst, da müsse er „anderspreisig kalkulieren“, mit Zuschlägen.
Außerdem sei der Fall an einem Sonntag passiert. „Die Preise sind hoch, das stimmt“, und über die einzelnen Positionen der Rechnungsforderung könne man „möglicherweise streiten“. Aber er habe weder unnötiges Material verbaut noch sei die Zwangslage der Frau so schwerwiegend gewesen, dass die strafrechtliche Schwelle zur Wucherei überschritten worden sei. Im Übrigen habe sein Mandant vor dem Aufbohren versucht, den Türriegel ganz ohne Gewalt, nur mit einer Scheckkarte, aufzuhebeln.
Staatsanwalt forderte Verurteilung
Der Richter folgte diesen Argumenten im Grunde - und sprach den Angeklagten frei. „Einen erhöhten Preis zu fordern, ist keine Täuschung“, sagte er unter anderem.
Der Staatsanwalt wollte indes eine Verurteilung. Der Preis sei „weit überhöht und völlig unverhältnismäßig“ gewesen. Sein Antrag: sechs Monate Haft auf Bewährung. Darin war eine Vorstrafe wegen versuchter Nötigung eingerechnet (1200 Euro Geldstrafe). Worum es bei dieser Vorstrafe gegangen war, wurde im Prozess nicht erörtert.
Die damalige Wohnungsinhaberin war im Zeugenstand nicht erschienen, sie lebt heute in Sachsen-Anhalt.