Bochum. Das Publikum feiert die bilderstarke Inszenierung von Roger Vontobel, die sie um die heikle Psychologie der rasenden Femme fatale nicht kümmert. Jana Schulz darf nach ihrer Nibelungen-Kriemhild wieder schön garstig sein und stattet ihre Hedda als gelangweilt-böses Biest aus. Zwei Stunden, die rocken.

Diese Lady ist verrückt, soviel steht fest. Aber, aber, Hedda Gabler, warum bloß? Nach der Hochzeitsreise mit dem Kunsthistoriker Jörgen Tesman bezieht sie eine Villa, ihr Mann wird bald Professor sein, Hedda ist schwanger, auch Jörgens alte Tante Juliane freut sich auf den Nachwuchs. Und doch versenkt Hedda ihr vorgebliches Glück und das der Menschen um sie herum. Eben das macht die Faszination des 1890 geschriebenen Dramas bis heute aus. Henrik Ibsens Hedda – halb Femme Fatale, halb Rasende – ist einfach nicht zu fassen. Warum? Gute Frage!

Roger Vontobel sucht gar nicht erst nach einer Antwort. Vielmehr sitzt für ihn der Zuschauer in Heddas Kopf und vollzieht deren Sicht der Dinge nach: Ehemann Jörgen (Felix Rech) ist ihr ein Spielzeug, der Nachbarin Frau Elvstedt (Minna Wündrich) greift sie unverhohlen unter den Rock, dem notgeilen Richter Brack (Matthias Redlhammer) begegnet sie kokett, und ihrem an ihr und sich selbst verloren gegangenen Ex-Liebhaber Lövborg (Florian Lange) reicht sie ohne Weiteres die Pistole, mit der er sich in den Bauch schießt.

Wackelinges Gefühls-Chaos

Dieses wacklige Gefühls-Chaos ist bei Ibsen natürlich angelegt, aber Vontobel reduziert die Psychologie der Figuren auf die Wahrnehmung der Titelheldin. Hier wird nicht psychologisiert und hier gibt es auch keine gesellschaftliche Fallhöhe (mehr), an der Hedda & Co. scheitern könnten. Hier gibt es nur die in einem schwarzen Herrenanzug gewandete Furie, die die Welt, in der sie feststeckt, aus der Bahn kickt. Und damit sich selbst.

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Jana Schulz, die schon in Vontobels „Nibelungen“ als rachsüchtige Kriemhild in Blut watete, schenkt sich und dem Publikum auch diesmal nichts. Die androgyn wirkende Schauspielerin bürstet das übliche Hedda-Bild schon äußerlich gegen den Strich. Sie ist weder langweilig noch gutbürgerlich, sie ist einfach nur ein gelangweilt-böses Biest, besessen vom Geist ihres Vaters, dem General Gabler – gespielt vom kleinwüchsigen Gisbert Görke –, der als schallend lachender Teufel aus der Kiste durch die Kulisse irrlichtert. Wie ein Gespenst reißt er jene Löcher in die Wirklichkeit, durch die Hedda ins Herz ihrer Finsternis blickt.

Zwei kurzweilige Stunden

Claudia Rohner organisiert diese Wirklichkeit als eine Art Zelle, von der nach und nach die (Plastik)-Vorhänge weggerissen werden und auch alles andere auf den Riesenmüllhaufen im Hintergrund fliegt. Videos von knospenden und welkenden Blüten, von gefräßigen Insekten illustrieren bildmächtig eine wegdriftende Welt, die Hedda Gabler zwei kurzweilige Stunden lang rockt. Bis es vorbei ist.

Termine: 19. und 25.März, 13., 19. und 30.April. 0234/3333-5555