Bochum.. Drama um ein Bochumer Pflegeheim: Die Stadt will das St. Antoniusstift zwangsweise schließen, doch die alten Bewohner und ihre Pfleger kämpfen dagegen an. 25 verbliebene Bewohner haben sich in der Trutzburg verschanzt. „Alte Bäume verpflanzt man nicht. Wir werden niemals freiwillig das Feld räumen“, sagt nicht nur Heinz Rosinski.
„Was sind wir noch wert?“ Heinz Rozinski war sicher, seinen Lebensabend im St. Antoniusstift zu verbringen. Nun ist der 88-Jährige verzweifelt, voller Angst, aber auch kampfbereit. Das Altenheim, „unser Zuhause“, soll geräumt werden. „Die wollen uns hier rausschmeißen“, zürnt Heinz Rozinski. „Aber wir gehen nicht weg!“
Es ist ein Drama, das sich in diesen Wochen in der Bochumer Innenstadt abspielt. Und ein einzigartiges dazu. Ein katholisches Pflegeheim soll zwangsweise geschlossen werden. Sozialamt und Pflegekassen drehen den Geldhahn zu. Das Bauamt kündigt Zwangsgelder an. Doch die alten Menschen begehren auf, denken nicht ans Aufgeben. Seit dieser Woche flattern Bettlaken aus den Fenstern. Ansage: „Wir wollen bleiben!“
Das Unheil nimmt 2008 seinen Lauf. Damals schließt die Pfarrei St. Peter und Paul ihr Altenheim am Stadtrand an der Bessemerstraße in Bochum. Marode und baufällig, soll es einem Neubau Platz machen. Die Senioren werden umquartiert. Die Stadt genehmigt, dass sie ins ehemalige IG-Metall-Verwaltungsgebäude an der Humboldtstraße ziehen dürfen. Für maximal zwei Jahre, bis das neue Heim fertig ist.
Sicherheit nicht gewährleistet
Doch alsbald hegt die Gemeinde andere, kühne Pläne: Das neue Stift (84 Plätze) soll in die entkernte Antoniuskirche direkt neben dem alten Heim integriert werden. Die Stadt ist angetan. Städtebaulich sei das ein großer Wurf. Immerhin blieben der Kirchturm und Teile des Kirchenschiffes erhalten.
Die Nutzungsgenehmigung für das IG-Metall-Haus wird 2010 bis zum 31. Mai 2013 verlängert. Über das, was folgt, gibt es unterschiedliche Darstellungen. Das Bauamt beteuert, jahrelang keinen genehmigungsfähigen Bauantrag erhalten zu haben. Die Kirche wittert eine Verzögerungs-, ja Verhinderungstaktik. Fakt ist: Bis heute ist kein Stein bewegt worden.
Erst Anfang Mai gibt die Stadt grünes Licht für den Kirchenumbau – und zeigt dem Provisorium an der Humboldtstraße die Rote Karte: Nach nunmehr fünf Jahren ist die „Übergangslösung“ am Ende. Es gebe eklatante bauliche und hygienische Mängel. Im Notfall sei die Sicherheit nicht gewährleistet. Eine nochmalige Verlängerung sei ausgeschlossen. „Das lassen schon die 2011 verschärften Richtlinien für Altenheime nicht zu“, stellt Baudezernent Ernst Kratzsch klar.
"Viele von uns würden einen Umzug vielleicht nicht überleben"
48 Senioren und 50 Mitarbeiter sind vom drohenden Aus betroffen. Mit dem Träger formieren sie die Gegenwehr. Klar: Der Gewerkschaftsklotz genügt nicht den modernen Pflegestandards. Das Klo ist auf dem Flur, Barrierefreiheit nur ein Wort. Aber: Jeder Bewohner hat ein Einzelzimmer. „Wir fühlen uns wohl und aufgehoben“, sagt Beirätin Monika Kaemper. „Viele von uns sind schwerkrank und dement und würden einen Umzug vielleicht nicht überleben.“
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Nur 23 Senioren wechselten bis Ende Mai in andere Heime. Auch die Beschäftigten machen bisher keine Anstalten, ihren Job aufzugeben – und das, obwohl das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einen Antrag auf Einstweilige Verfügung gegen die Stadt abgelehnt hat.
Aktueller Stand: Das Antoniusstift ist seit 1. Juni ein rechtsfreier Raum; der Heimstatus ist verloren. Für die Bewohner werden weder Pflegegelder noch Sozialhilfe bezahlt. Doch die Fehde geht weiter. Der Heimträger hat Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht eingelegt (der im Rathaus keine Chance eingeräumt wird). Die 25 verbliebenen Bewohner haben sich in der Trutzburg verschanzt.
Die Stadt hält still. Noch. „Wir wollen nicht zu einer weiteren Eskalation beitragen“, heißt es. Bis zur Gerichtsentscheidung werde man abwarten. Danach aber müsse gehandelt werden. „Ein Verstoß gegen das Heimrecht“ erkennt die Leiterin des Rechtsamtes, Ursula Beaupain, und droht Zwangsgelder in fünfstelliger Höhe als „Beugemittel“ an. „Es gilt, Druck auf den Träger auszuüben.“
Heimrecht, Finanzen, Gerichte: Die Ü-80-Kampftruppe im Antoniusstift versteht nicht alles in diesem Streit. Eines versteht sie sehr wohl: „Er wird auf unserem Rücken ausgetragen.“ Den hat sich Heinz Rozinski Zeit seines Leben krumm malocht. Jetzt steht er kerzengerade da: „Alte Bäume verpflanzt man nicht. Wir werden niemals freiwillig das Feld räumen.“