Bochum. Mariama will nie wieder nach Madrid, der Stadt, in der die 19-Jährige zur Prostitution gezwungen wurde. Doch genau dorthin drohte ihr die Abschiebung. Als sie zum Flughafen gebracht werden sollte, verbrühte sie sich mit heißem Wasser den Oberkörper. So schwer, dass die Abschiebung ausgesetzt wurde.

Es sind warme 25 Grad. Auf dem Balkon einer Bochumer Klinik lässt es sich aushalten. Grund genug, um zu lächeln in Erwartung des Frühlings, den die ganze Stadt herbeisehnt. Mariama lächelt nicht. Die 19-jährige junge Frau aus Guinea, sollte um diese Zeit eigentlich bereits in Madrid sein.

Dorthin drohte ihr die Abschiebung in der Nacht zum Donnerstag. Ausgerechnet Madrid, der Stadt in der sie über Monate eingesperrt war, zur Prostitution gezwungen wurde, wie sie unter Tränen erzählt. Doch sie ist zurück in Bochum. Mit schweren Brandverletzungen – aber: „Alles ist besser als Spanien“, sagt Mariama .

Formal schien alles korrekt

Formal schien alles korrekt. Es gibt die Dublin-II-Verordnung der EG, die regelt, dass für Menschen, die in einem Mitgliedsstaat Asyl beantragt haben, dieses Verfahren dort läuft, nur dort. Die Verwaltungsmaschinerie setzte sich in Bewegung, getrieben von einem festgelegten Rhythmus. Als eine Duldung verlängert werden sollte und Mariama nicht in ihrer Unterkunft angetroffen wurde, ging die Behörde von Fluchtgefahr aus.

Beim Besuch im Bochumer Ausländeramt wurde sie im Rathaus festgenommen, am Montag. Die Hände auf dem Rücken mit Handschellen, eine Lehrerin war Zeugin, als ein Mitarbeiter Mariama sinngemäß zugerufen haben soll, sie möge bloß kein Theater machen.

Verzweifelt, wie in Trance

Später am Mittwoch, als sie bereits im Abschiebetrakt der Justizvollzugsanstalt Büren darauf wartete, zum Flughafen gebracht zu werden, tat sie sich Gewalt an. Sie ging in die Teeküche und goss sich siedendes Wasser über den Oberkörper. Die Verbrennungen zweiten und dritten Grades müssen in einer Bochumer Spezialklinik stationär behandelt werden. Nicht das erste Mal, dass die Angst Mariama so besinnungslos verzweifelt machte, wie in Trance. Vor Monaten trank sie ein Haarmittel, galt als selbstmordgefährdet.

Während Mariama sich an ihre Peiniger in Madrid ausgeliefert sah, mögen ihr auch die Erinnerungen an Guinea durch den Kopf gegangen sein. Der Vater, der die Familie verließ, der Onkel der sie quälte und vergewaltigte die Genitalverstümmelung, der Schlepper, der sie nach Madrid in die EU brachte.

„Liebe Mariama, wir sind sehr traurig“

Dabei hat Mariama starke Freunde. Es ist ihre Klasse am Alice-Salomon-Berufskolleg. Briefe haben sie ihr noch in die Haftanstalt geschrieben, wie der von Natalia und Patrycja: „Liebe Mariama, wir sind sehr traurig, dass du hier nicht mit uns zusammen bist.“ Ihre Lehrerin Julia Appelhoff und Schulsozialarbeiterin Michaela Schröder, bei der sie sogar für eine Nacht unterkommen konnte. Auch Schulleiterin Helga Harder-Kühne, die sich über den Einsatz freut. Ausschlag für den Erfolg aber dürfte der Einsatz von Axel Schäfer (SPD/MdB) und Serdar Yüksel (SPD/MdL) gegeben haben, die in letzter Sekunde die Maschinerie stoppten. In Büren hatte man die Flugpapiere schon klargemacht.