Bochum. . Als Kind wurde Marbel Rollka (66) von ihren Eltern allein zurückgelassen. Nach über sechzig Jahren traf sie nun erstmals ihre große Familie in England wieder.

Bis heute weiß Mabel Rollka nicht, warum ihre Mutter sie 1949 als dreijähriges Mädchen zurückgelassen hat. „Als ich in England war und mir meine Geschwister gezeigt haben, in welcher Gaststätte meine Mutter gearbeitet hat, bin ich die Wege abgegangen als sei es eine Berührung mit ihr“, berichtet die Bochumerin.

Ihre Mutter, Carla Remstedt, ging mit ihrem Mann Derek Cooper nach England. Den erstgeborenen Sohn Carl-Heinz, den Derek adoptierte, nahm sie mit. „An meine Kindheit bei meiner Pflegemutter in Walsrode habe ich keine guten Erinnerungen“, sagt Mabel Rollka heute. Ab der Schulzeit kümmerte sich die Pflegegroßmutter in Gelsenkirchen um das Mädchen. „Meine Großmutter Katharina klärte mich irgendwann darüber auf, dass ich ein Pflegekind bin“, schildert sie. Mabel, damals etwa acht Jahre alt, strich auf ihren Schulheften den Namen der Pflegemutter durch und schrieb den Mädchennamen ihrer leiblichen Mutter darüber.

Sehnsucht setzt im Ruhestand ein

Als Jugendliche versuchte Rollka das erste Mal, ihre Familie zu finden. Doch das Jugendamt winkte damals ab und rückte keine Informationen darüber heraus, wo ihre Eltern geblieben sein könnten. Die junge Frau gibt es vorerst auf und gründet ihre eigene Familie mit Ehemann und zwei Töchtern.

Erst im Ruhestand setzt die Sehnsucht nach den eigenen Wurzeln wieder so stark ein, dass Rollka die Suche erneut angeht. Im Mai 2011 fordert sie ihre Geburtsurkunde beim Einwohnermeldeamt in Walsrode an. Von dort erfährt sie, dass die Zwillingsschwester ihrer Mutter in Hamburg lebte. Dreizehn Standesämter in Hamburg sind die nächsten Teile beim Familienpuzzle. Eins passt. „Das Standesamt schickte mir die wertvolle Adresse von meinem Cousin Bernd Specht“, berichtet Rollka. Sie schreibt dem Unbekannten im Juli 2011 einen Brief, erklärt wer sie ist und dass sie ihre Angehörigen sucht. „Nachdem ich den Brief abgeschickt hatte, war ich kaum noch ansprechbar und schwebte quasi durch die Wohnung“, schildert sie ihren Zustand. Zwei Tage später klingelt das Telefon:„Hallo Cousinchen“, meldet sich Bernd und zeigt sich äußerst überrascht. Niemand in der Familie habe von ihr gewusst, erfährt Mabel Rollka von ihm. Der Durchbruch ist geschafft. Rollka hat nun eine große Verwandtschaft in England mit drei Halbgeschwistern und einer Schwester.

Gemeinsamer Bummel im Ruhrpark

Mutter und Vater sind verstorben. Trotzdem Rollka vom Tod ihrer Mutter schon durch den Familiensuchdienst der Heilsarmmee erfährt, richtet sie Monate später einen langen Brief an sie. Es ist eine Nacht, in der sie sich die lebenslange Sehnsucht nach der eigenen Mutter noch einmal von der Seele schreibt und vielleicht auch damit abschließen kann.

Cousin Bernd schickt ihr Fotos von den Eltern und Angehörigen. Rollka stellt sich mit den fotokopierten Bildern ihr eigenes Familienalbum zusammen. Beim ersten Treffen im September 2011 zu einer Hochzeit mit Verwandten in Walsrode traf sie erstmals ihren Bruder Carl-Heinz (68) aus Halifax. Kurz darauf folgte ein Besuch in Bochum von Schwester Andrea (61) aus Maidstone. Ihr steht Mabel heute am nächsten. „Als sie am Flughafen auf mich zukam, hat sie nur geschrien. Wir haben uns umarmt und geküsst“, schildert Rollka. Schon beim gemeinsamen Bummel im Ruhrpark laufen die Schwestern Hand in Hand.