Bochum. Mit einem Geständnis hat am Montag vor dem Landgericht Bochum der Prozess gegen den mutmaßlichen „Schlecker-Räuber“ und seine Freundin begonnen. Dem 36-jährigen Angeklagten droht nach Ablauf einer Haftstrafe die Sicherungsverwahrung.

„Haben Sie sich auch mal das Risiko überlegt?” fragte Richter Hans-Joachim Mankel die Angeklagte (26) wegen der vielen Verbrechen. „Nein”, antwortete die gelernte Krankenschwester. Oder dass man im Gefängnis landen könnte? „Man hat gar nicht so weit gedacht.” Jetzt sitzt sie aber doch hinter Gitter, in U-Haft. Und ihr Freund (36) ebenso. Beide gaben am Montag zum Prozessauftakt vor dem Landgericht Bochum insgesamt 24 bewaffnete Raubüberfälle zu, allein 16 davon auf Schlecker-Märkte.

Das unscheinbare Liebespärchen aus Dahlhausen hatte der Anklage zufolge zwischen 31. Oktober 2008 und 3. Februar 2009 insgesamt 61 000 Euro erbeutet. Die Masche: Die Frau wartete in Tatortnähe in einem Fluchtauto, der Mann ging maskiert und mit einer geladenen Schreckschusspistole in die Läden und forderte vom Personal Geld aus der Kasse oder dem Tresor. Das bekam er - mal 7600 €, mal auch nur 307 €. Tatorte waren vor allem Bochum und Herne (je neunmal), aber auch Witten, Essen, Gelsenkirchen. Nachher flüchtete das Paar in dem Pkw. Gegen Ende dieser frappierenden Serie müssen die zwei wohl völlig abgebrüht und übermütig geworden sein, denn an zwei einzelnen Tagen im Januar hatten sie jeweils gleich zweimal einen Schlecker-Markt heimgesucht. Nun drohen Haftstrafen, die - zumindest bei dem Mann - jahresmäßig auch zweistellig sein könnten.

Arbeitslosigkeit führte sie ins Schwerkriminelle

Die beide hatten sich 2005 bei einem Paketdienst, für den sie arbeiteten, kennen- und lieben gelernt. Die Firma verschickte für Nokia Handys. Als Nokia im Juni 2008 dichtmachte, wurden sie arbeitslos. Das Drama nahm seinen Lauf. Vorher hatten sie ihre Freizeit mit Fußball, Badminton und langen Spaziermärschen mit seiner Hündin verbracht. „Als man arbeitslos war, hat man die Zeit in Spielhallen verbracht, in Casinos”, erzählte die Frau. Zuletzt täglich. Und: „In Hohensyburg waren wir quasi jedes Wochenende.”

Spiellust türmte hohe Schulden auf

Die Spiellust türmte riesige Schulden auf. Einmal verzockten sie 2000 € in 20 Minuten, sagte die Angeklagte. Das musste quasi gegenfinanziert werden. Mit den Raubüberfällen. Eine Polizistin, erzählte die Angeklagte, habe ihrem Freund mal erzählt, dass die meisten Bankräuber gar nicht gefasst würden. Dieser Satz, so er denn überhaupt gefallen ist, brachte das Paar auf kriminelle Gedanken. Im Internet suchten sie sich Adressen von Schlecker-Märkten aus. Dann ging es los. Erst überfielen sie dem Geständnis zufolge eine Tankstelle, ein Matratzen-Outlet, ein Sonnenstudio. Ab Dezember ging es dann - teilweise täglich - in die Schlecker-Märkte. Beim letzten Überfall, in Bochum, wurde der Mann auf frischer Tat gefasst. Mit 4055 Euro Beute. Die Polizei hatte sich auf die Lauer gelegt - wie vor vielen weiteren Schlecker-Filialen damals.

Fünf Jahre Mindeststrafe

Mit der Schusswaffe, meinte die Angeklagte, habe man den Opfern nur Angst machen wollen. „Man wollte ja natürlich den Schreck haben. Wir wussten, dass wir denen nichts antun. Aber das wussten ja die nicht.” Das ließ Richter Mankel nicht unkommentiert. Genau deshalb habe der Gesetzgeber darauf hohe Mindeststrafen festgesetzt. An jeder Bank zum Beispiel sollte der Hinweis stehen: „Wer hier reinkommt und den Kassierer mit einer Pistole bedroht, bekommt mindestens fünf Jahre Freiheitsstrafe.”

Sicherungsverwahrung

Für den 36-jährigen Angeklagten sieht die Anklage auch die Sicherungsverwahrung nach Ablauf einer Haftstrafe vor. Wegen eines möglichen Hanges zu Straftaten sei er vielleicht allgemeingefährlich. Psychiatrische Gutachter sehen das zum jetzigen Zeitpunkt aber anders. Beide seien allerdings voll schuldfähig.

Beide Angeklagte hatten außer der Hündin auch zwei Katzen. Ob sie die Tiere jetzt in der U-Haft vermisse, fragte der Richter die Frau. "Oh ja, oh ja", nickte die Angeklagte eindringlich. Der Prozess geht am Donnerstag weiter.