Bochum. „Hallo, Nachbar“: 160 Bochumer beteiligten sich an der Auftaktaktion von BO-Marketing. Für einen Tag und eine Nacht waren sie Touristen in der eigenen Stadt.
Das Emporstreben mit Kohle und Stahl auf der Vorderseite, die Zerstörung im Krieg auf der Rückseite: Die „Entfaltung der Stadt“ fasziniert die zwölf Betrachter. Aufmerksam studieren sie die Bronze-Plastik auf dem Boulevard. 3,50 Meter hoch, ist die künstlerische Darstellung der jüngeren Stadtgeschichte kaum zu übersehen. „Tausendmal sind wir vorbeigelaufen“, schaut sich das Bochumer Dutzend fast beschämt an, „richtig wahrgenommen haben wir es nie.“
Sich vor der Haustür wie Touristen fühlen, die eigene Stadt neu entdecken, für einen prall gefüllten Tag Urlaub in der Heimat machen: Mit der Aktion „Hallo, Nachbar!“ versucht sich die Bochum Marketing GmbH erstmals als Reiseleiter. „Binnenmarketing“ nennt der neue Chef-Stadtwerber Mario Schiefelbein (46) das Bemühen, Bochum nicht nur (inter-)national zu vermarkten, sondern auch in den eigenen Stadtgrenzen ein Wir-Gefühl, ja: auch Stolz zu wecken.
Zufrieden mit 160 Buchungen
Schiefelbein und seine Partner schnürten attraktive Nachbar-Pakete. Zwölf Hotels offerierten am Samstag Vorzugskurse (je nach Kategorie zwischen 19 und 39 Euro). Im Preis enthalten war die Teilnahme an Führungen durch die City und – je nach gewähltem Paket – Besichtigungen in der Ruhr-Uni, im Starlight-Express, Planetarium, Bergbaumuseum und in der Jahrhunderthalle mit einem Blick hinter die Kulissen der Ruhrtriennale.
Die Hotelkapazitäten hätten 430 Bochumern Platz geboten. 160 Buchungen wurden vorgenommen. „Damit sind wir zum Auftakt zufrieden“, sagt Mario Schiefelbein und plant eine Neuauflage 2013. Er ist sicher: „Die Idee wird zunehmend Anklang finden.“
Gabriela Auras (40) und Andreas Rieks (45) stimmen ihm zu. Die Erzieherin und der Pädagoge zählten zu den WAZ-Lesern, die den „Urlaubstag“ bei einer Verlosung gewonnen hatten. „Als Wattenscheider sind wir nur selten in Bochum. Wir sind gespannt, was wir sehen werden“, schloss sich das Paar am Vormittag einem der vier „Erlebnisrundgänge“ an. Binnen 60 Minuten steuerte Gästeführer Sascha Scherhag (auch er ein Wattenscheider) die Klassiker in der City an: kenntnisreich und launig garniert mit Anekdoten aus der wechselvollen Bochumer Historie.
Abendspaß mit "Putzfrau des Ruhrgebiets" Walli Ehlert
Die Entfaltung von Karl-Henning Seemann, der alte Fritz Kortebusch als Kuhhirte, Kortum und Dr. Ruer, das Rathaus, das beim Bau in den 20er Jahren „geradezu läppische neun Millionen Mark gekostet hat“, Mutter Wittig und Jakob Meyer, das Elli und Graf Engelbert, Union-Theater (einst mit Heinz Rühmann auf der Bühne), Bratwurstbude mit Currywurst für lau, das Kortum-Karree, das zu unseligen Nazi-Zeiten die Zentrale des Westfalengaus beherbergte: „Unglaublich, was wir bisher noch nicht wussten“, staunte die Bochumer Runde. „Man reist durch die halbe Welt – und kennt doch die eigene Stadt kaum“, grübelt Andreas Rieks. „Interessant, die Geschichte der Denkmäler zu hören“, ergänzt Partnerin Gabriela.
Am Abend vergnügen sich die „Touris“ im Riff bei der famosen Ester Münch in ihrer Paraderolle als Reinigungsfachkraft und Revierpflanze Waltraud Ehlert.
Ob die „BO-Touristen“ anschließend vereinzelt im Dreieck untergegangen sind, ist nicht überliefert. Sicher ist: Allesamt konnten sich nach ihrer Übernachtung im Hotel bei einem Frühstück stärken; all inclusive, wie es sich für einen richtigen Urlaub gehört. Die Rückreise hat nicht allzu lange gedauert.
Wer es den „Hallo, Nachbar“-Teilnehmern gleichtun und seine Heimatstadt intensiver kennenlernen will, kann bei der Bochum Marketing GmbH verschiedene Angebote wahrnehmen. Bei Rundfahrten (u.a. im Oldtimerbus und in der historischen Straßenbahn) geht’s quer durchs Stadtgebiet. Es gibt Architektur- und Kostümführungen, eine Sagen- und Fackeltour, den kulinarischen Stadtrundgang „Gezz iss dich watt“ und spezielle Touren für Kinder und Jugendliche.
Alle Infos bei BO-Marketing an der Huestraße 9, 96 30 20, www.bochum-tourismus.de