Bochum. Der Plan, im stillgelegten Bahnhof Dahlhausen einen Kulturtreffpunkt mit Ausstrahlung weit über Bochum hinaus zu etablieren, ist wegen ausgebliebener Fördergelder gescheitert. Initiator Reinhard Kreckel will stattdessen das Bola KulturHostel am Hedtberg zum neuen Treff machen, etwa mit Kursen für junge Leute.

Um 12 Uhr mittags zeigt die Uhr am stillgelegten Bahnhof Dahlhausen beharrlich 15.14 Uhr. Rechungpa Reinhard Kreckel zieht ein Schlüsselbund hervor und probiert. Der dritte passt. Als wir das Bahnhofsgebäude betreten, schlägt uns ein muffiger Geruch wie aus Großmutters Kohlewohnung entgegen. Eigentlich sollte das hier eine Kulturelle Bildungsstätte von internationalem Flair werden, mit Strahlkraft weit über Bochum hinaus. Jetzt ist das Projekt mausetot, zumindest an dieser Stelle.

Wer einen Essigbaum umhaut, kann was erleben. Der schießt 30 Meter weiter wieder aus dem Boden. So ist das wohl auch mit Kreckel. Wenn schon des Geldes wegen der denkmalsgeschützte Bahnhof wieder verhökert werden muss, ist für seinen Kulturtreff noch lange nicht der Zug abgefahren. Sie soll jetzt nicht am Schienenstrang entstehen, sondern drei Straßenzüge weiter, wo es unverhofft ins Grüne geht. Wo kleine Schneckenhäuser den Weg nach oben säumen und sich manchmal ein Füchslein blicken lässt und einmal sogar ein Reh.

Man hört fast schon die Zikaden singen

Das Haus vor uns ist ein Zwitter aus Steinen: Links ein Gebäude, das die Naturfreundejugend 1926 aus Bruchsteinen in den Berg gemauert hatten. Rechts kam in den 70er Jahren ein Anbau hinzu, mit einer sehr großen überdachten Terrasse samt Bühne: Das Bola KulturHostel. Idyllisch und mit mediterraner Anmutung. Man hört fast schon die Zikaden singen.

Hier soll er sein, der künftige kulturelle Tatort, von dem man spricht. Wenn’s denn mal klappt - mit den Nachbarn etwa, die sich über Gesang beschweren.

Wer sich Kreckels Lebenslauf aus dem Internet druckt, braucht eine Menge Papier. Der Tausendsassa der kulturellen und wohl auch spirituellen Szene sieht aus, wie man sich einen waschechten Kunstguru so vorstellt. Wilde blonde Locken umrahmen das energische Gesicht des 53-Jährigen. Ein milder Blick aus großen Augen.

Ein Gerücht geht um

Ein merkwürdiges Gerücht geht um in Dahlhausen: Von wegen Kulturelles Zentrum. In Wirklichkeit, fachsimpeln Leute am Bahnhof nach der fünften Flasche, plant der Kreckel nichts weniger als ein Zentrum des tibetanischen Buddhismus. „Dafür“, munkelt einer, „hat sich Bola den Bahnhof gekrallt.“

Und überhaupt: Wieso heißt der nicht nur Reinhard, sondern auch Rechungpa?

Wo Rechungpa, laut Wikipedia Hauptschüler des großen Yogi Milarepa, doch schon seit 1161 tot ist?

Kreckel klärt die Sache auf: „1996 habe ich Buddhismus-Studienreisen angeboten. In Nepal, als ein tibetanisches Kloster eingeweiht wurde, habe ich einen Film drüber gemacht. Da hat man mir den Namen Rechungpa verliehen.“ Quasi wie ein Gastgeschenk. Und das mit der Buddhismus-Niederlassung sei Mumpitz.

Pläne schienen Hand und Fuß zu haben

Zurück zum Bahnhof Dahlhausen. Was hier angedacht war, schien Hand und Fuß zu haben. Ein Drittel - der Mittelbau - gehört der Stadt, zwei Drittel erwarb der Verein prokulturgutnet, der drei Vorstände hat. Kreckel führt die Geschäfte, mit im Boot als Vorstand ist Gordana Simundza aus Kroatien, die sich überwiegend um den Hotelbetrieb des Bola Kultur-Hostel kümmert.

Die Haushaltssperre, zu der die Stadt von der Bezirksregierung wegen klammer Kassen verdonnert wurde, hat das ehrgeizige Projekt harpuniert. Anfangs ging die Rechnung noch auf: Zwei Millionen Euro sollte die Großsanierung kosten, 600 000 Euro alternativ die Kleinsanierung. Das Kulturbüro der Stadt zog mit. Mit rund zwanzig Leuten aus diversen Ämtern hatte Kreckel konferiert: „Die waren alle sehr nett und engagiert.“ 450.000 Euro nahm Kreckels Verein in die Hand, die Sparkasse finanzierte. Bundesmittel sollten fließen.

Dann platzte die Bombe. Ein Mitarbeiter des Regierungspräsidenten überbrachte in einer Sitzung die düstere Botschaft: Wegen der Haushaltssperre dürfe die Stadt sich als Miteigentümer des Bahnhofs nicht an dem Kulturprojekt beteiligen.

"Die Sache ist für uns unmöglich geworden"

Das war das Ende der Finanzierung: „Die Sache ist für uns unmöglich geworden“, stellt Kreckel nüchtern fest. Auch die kleine Lösung sei im Bahnhof nicht mehr darstellbar. Seit einigen Monaten versucht ein örtlicher Makler, das Gebäude zu vermarkten. Konzepte für ein Gesundheitszentrum liegen vor, auch ein Mitglied der islamischen Gemeinde hatte mal vorgefühlt. Der Bahnhof demnächst als Moschee?

Kreckel und Partner, zu denen auch ein Neurologe gehört, konzentrieren sich derweil darauf, das Bola KulturHostel mit attraktiven Kunst- und Kulturangeboten zu füllen, tibetanischer Buddhismus ist wohl auch dabei. Für Gruppen, die sich einmieten und sich an Kursen erbauen. Bis Jahresende könnte das gelingen, schätzt der studierte Lehrer für Kunst und Sozialpsychologie die Lage ein. Bis dahin müssen noch Auflagen erfüllt werden, Brandschutz etwa. Auch Schallschutz, damit die Nachbarn nicht wieder meckern, wenn nach 22 Uhr einer zur Gitarre greift.