Bochum. . Markus van den Hövel, Vorsitzender Richter am Landgericht Bochum, hält das von den Piraten angestrebte Bürgerbegehren zum geplanten Musikzentrum rechtlich für möglich. Damit widerspricht er ausdrücklich der Rechtsauffassung der Stadt Bochum.

Bochums Bürger könnten sehr wohl den Bau des geplanten Musikzentrums noch stoppen. Zu dieser Auffassung kommt Dr. Markus van den Hövel (47), Vorsitzender Richter am Landgericht Bochum.

In einer eigens für die WAZ-Redaktion verfassten Expertise hält der in Juristenkreisen angesehene Richter ein Bürgerbegehren nach § 26 der Gemeindeordnung für möglich. Das Bürgerbegehren dürfe sich nur nicht gegen den Grundsatzbeschluss zum Bau des Musikzentrums vom 9. März 2011 richten, sondern es müsse sich gegen den noch erforderlichen Ratsbeschluss richten, der feststellen soll, dass alle „auflösenden Bedingungen“ eingetreten sind. Dieses wäre ein „kassatorisches“ Bürgerbegehren und nicht wie von der Stadt bewertet ein „initiierendes“, sagt der Jurist.

Diskussion über Bürgerbegehren

Wie berichtet, hatte die Stadt mitteilen lassen, dass ein Bürgerbegehren auf keinen Fall mehr zulässig ist. Wörtlich heißt es: „Da es bereits einen Grundsatzbeschluss gibt, gegen den ein Bürgerbegehren hätte eingereicht werden können, ist auch ein initiierendes Bürgerbegehren sowohl im Hinblick auf den im März 2011 getroffenen Grundsatzbeschluss als auch bezüglich der vom Rat noch zu treffenden Feststellung über das Eintreten der auflösenden Bedingungen heute nicht mehr zulässig.“

Markus van den Hövel widerspricht dem deutlich. Der Beschluss vom März 2011 weise „die m.E. juristisch wenig geschickte Besonderheit auf, dass er zwar ein Grundsatzbeschluss ist (also: Ja zur Realisierung des Musikzentrums sagt), gleichwohl aber nicht ,ohne wenn und aber’ gelten soll, sondern seinem Wortlaut nach nur unter ,auflösenden Bedingungen’ (der Finanzierung) getroffen worden ist“. Damit bleibe der Grundsatzbeschluss angreifbar.

Streit um Finanzierung

Es sei „juristisch zu diskutieren“, ob nicht gegen den neuen Ratsbeschluss, der ja wie im Rat der Stadt vereinbart die Finanzierbarkeit des Projektes erst feststellen müsse, ein Bürgerbegehren zulässig sei. „Ich halte dies für möglich“, sagt van den Hövel. Insoweit könnte innerhalb der Drei-Monats-Frist ein Bürgerbegehren eingereicht werden mit dem Ziel, „diesen neuen Ratsbeschluss aufzuheben und festzustellen, dass die Bedingungen der Finanzierung gerade nicht eingetreten sind.“

Van den Hövel erklärt dies am Beispiel der viel diskutierten gebäudebezogenen Kosten des Musikzentrums in Höhe von 650.000 Euro, deren Festschreibung viele Kritiker des Vorhabens ohnehin anzweifeln. Eine den Bürgern zu stellende Frage, die vorschriftsmäßig auch mit Ja oder Nein zu beantworten wäre, könne daher lauten: „Können die jährlichen Gebäudekosten in Höhe von 650.000 Euro durch Einsparungen bei Marienkirche sowie Symphonikern finanziert werden?“

Sollte ein Bürgerbegehren unter dieser oder einer anderen ähnlichen Fragestellung erfolgreich sein und damit die Nicht-Finanzierbarkeit des Projektes feststellen, würde dies „nicht nur den neuen Rats-Feststellungsbeschluss kassieren, sondern gerade auch zur Auflösung des Ratsbeschlusses vom 9.3. 2011 führen“, führt Markus van den Hövel aus.

Kassatorisch oder initiierend?

Ein kassatorisches Bürgerbegehren (BB) richtet sich gegen einen konkreten Ratsbeschluss und hat dessen Aufhebung zum Ziel. Hierbei sind Fristen zu beachten. Bei Beschlüssen, die bekannt gemacht werden müssen (Satzungen etc), muss das BB innerhalb von sechs Wochen eingereicht sein. Ansonsten beträgt die Frist drei Monate. Initiierende BB sind nicht fristgebunden. Sie sind allerdings nur zulässig, wenn sich der Rat nicht bereits mit der Sache befasst hat.

Ziel eines BB ist es, die Bürger der Stadt an Stelle des Rates entscheiden zu lassen. Das BB muss von vier Prozent der Bürger unterzeichnet sein – in Bochum wären das ca. 14 700. Gibt der Rat dem BB statt, folgt ein Bürgerentscheid (anderenfalls könnten die Antragsteller beim Verwaltungsgericht klagen). Im Bürgerentscheid zählt dann die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen, diese Mehrheit muss aber mindestens zehn Prozent der Bürger ausmachen (36 750).