Bochum.

Freiheit und Kapitalismus, Demokratie und Wohlstand: Das gehörte für Ernst Röder jahrzehntelang zusammen. Doch die vergangenen Monate haben sein Vertrauen in diesen Gesellschaftsentwurf schwer erschüttert. Den Glauben an die Politik hatte er schon lange zuvor verloren.

Am vergangenen Samstag machte sich der 63-Jährige daheim in Riemke auf. „Zum ersten Mal im Leben“, sagt er, „nehme ich an einer Demonstration teil.“ New York, Madrid, Rom, Berlin, Bochum: „Occupy Husemannplatz“.

Nach dem Vorbild der globalen Platz-Besetzungen („Occupy Everywhere“) in den USA, Spanien oder Italien gingen am Samstag erstmals auch in Deutschland Zehntausende auf die Straße, um – so der Aufruf – „für mehr Demokratie und die Entmachtung der Finanzmärkte“ zu demonstrieren. In Bochum waren es u.a. „Attac“, der Bahnhof Langendreer, das Soziale Zentrum und Die Linken, die die Kundgebung auf dem Husemannplatz organisiert hatten.

„Zwischen 5 und 5000: Wir haben ehrlich gesagt keine Ahnung, wie viele Menschen kommen werden“, erklärte einer der Veranstalter. Letztlich sind es rund 500 Teilnehmer, die sich um 13 Uhr friedlich vor der Deutschen Bank postieren – erstaunlich wenige Jugendliche, erstaunlich viele Bürger im Rentenalter. „Der ,Wutbürger’: Das bin ich!“, ruft Ernst Röder. „Gerade wir Älteren haben Angst, dass dieses Land, das wir wieder aufgebaut haben, durch gierige Spekulanten und die Macht- und Tatenlosigkeit der Politik in den Abgrund gerissen wird.“

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Von Jürgen Stahl

Im Schatten der City-Filiale des Geldhauses prangert Knud Vöcking von der Umweltorganisation „Urgewald“ die Allmacht der globalen Märkte an. Dem Kasino-Kapitalismus und dessen Folgen müsse ein Ende bereitet werden, die Banken müssten stärker reguliert werden: „Wir müssen deutlich machen, dass die Mehrheit die Nase davon voll hat, die Gier Weniger zu bezahlen. Wir können die Welt zum Tanzen bringen!“

Den größten Applaus erntet Stefan Nölle (Sozialforum), der an die Proteste im Sommer gegen einen Rede von Josef Ackermann im Schauspielhaus erinnert. Die öffentliche Kritik an dieser „Provokation“ führte dazu, dass der Deutsche-Bank-Chef seinen Auftritt absagte (wir berichteten). Jubel brandet auf. Das Feindbild ist klar ausgemacht.

In Bochum wird weiter demonstriert. Am kommenden Donnerstag, 20. Oktober, wird um 16 Uhr erneut vor der Deutschen Bank zur nächsten „Occupy“-Kundgebung aufgerufen. Ernst Röder wird wieder dabei sein. Diesmal will er zwei Nachbarn mitbringen.