Bochum.

Schmucke Wohnung, großer Garten, gute Rente: Wolfgang Birkel hat, so sagt man wohl, sein Auskommen. Dennoch klagt er gegen die Deutsche Rentenversicherung. Der Hordeler will mehr Rente. Nicht für sich. Aber für seine Nachkommen. Und für die Gerechtigkeit. „Einer“, sagt der 63-Jährige, „muss es ja machen.“

Wolfgang Birkel hat viel gesehen und gehört. Als Außendienstler eines Kaffeekonzerns war er kreuz und quer in Deutschland unterwegs. „Was mich überall erschütterte: die Altersarmut. Millionen Senioren, die ihr Lebtag hart gearbeitet haben, werden mit Minirenten abgespeist.“

Seit 2008 ist der Kaufmann selbst im Ruhestand — und hat daheim an der Röhlinghauser Straße viel Zeit und Muße, sich dem Rentenwesen zu widmen. Sein Fazit: „Die Solidargemeinschaft existiert nicht, solange nicht auch Beamte und Selbstständige einzahlen. Für meine zwei Kinder, spätestens für meine drei Enkel sieht es böse aus, wenn das Zweiklassensystem Bestand hat.“

2010 sah Wolfgang Birkel seine Zeit gekommen. Weil die für eine Rentenanpassung maßgeblichen Löhne und Gehälter während der Wirtschaftskrise gesunken waren, mussten die 20 Millionen Rentner wie schon 2004 und 2006 eine Nullrunde schlucken. „Nicht aber die Beamten. Deren Pensionen wurden um 1,2 Prozent erhöht – das Tarifergebnis für den öffentlichen Dienst“, grollt Birkel.

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Dem Unruheständler platzte der Kragen. Beim Sozialgericht fragte er an, ob ihn eine Klage gegen die Rentenkasse arm machen könne. Beruhigende Auskunft: „Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.“ Der Kampf konnte beginnen:

Im Juli 2010 legt Birkel bei der Rentenversicherung in Berlin Widerspruch gegen seinen Rentenbescheid ein. Er verweist auf die Ungleichbehandlung zwischen Rentnern und ehemaligen Beamten und fordert, „meine Rente rückwirkend zum 1. Juli um mindestens 1,2 Prozent anzuheben“.

Behörde lehnt Widerspruch ab

Die Behörde lehnt den Widerspruch ab. „Die Rentenversicherungsträger sind an die gesetzliche Regelung gebunden. Ihr Widerspruch konnte keinen Erfolg haben.“

Das wusste Wolfgang Birkel nur zu gut. Doch der Widerspruchsbescheid ist erforderlich, um vor Gericht zu ziehen. Im Herbst 2010 erhebt der Bochumer Klage gegen die Rentenversicherung. Die Nullrunde verletze das im Grundgesetz verankerte Gleichheitsgebot ebenso wie die unterschiedlichen Vorsorgesysteme, schreibt Birkel in seiner dreiseitigen Begründung.

Das Sozialgericht hat die mündliche Verhandlung für den 30. September terminiert. Der Harpener hat ein Ziel: die Weiterleitung des Verfahrens an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Birkel als Renten-Rächer: „Klar! Zeit hab’ ich genug.“