Bochum. Der demografische Wandel fordert auch in der Medizin eine auf Senioren angepasste Behandlung. Professor Justus Strauch ist einer der Vorreiter bei der Herzklappen-Ob “im Schongang“. Kleine Schnitte sollen dabei die Folgen eines Eingriffs mildern.

Tango ist die Leidenschaft von Herbert Wyrwich. Nur wenige Wochen währte die Angst, er könnte mit Ehefrau Inge nicht mehr übers Parkett schweben. „Ich tanze wieder!“, strahlt der 83-Jährige. Mit neuem Lebensmut. Mit neuer Herzklappe. Bald ist jeder dritte Bochumer über 60. Der demografische Wandel stellt somit auch die Kliniken vor Herausforderungen. Es gilt mehr denn je, sich auf Senioren im Krankenbett und OP-Saal einzurichten. Wie alle Bochumer Kliniken (Bericht unten) hat das Bergmannsheil die Zeichen der Zeit erkannt. „Ältere Patienten bedürfen schonender Behandlungs- und Operationsverfahren, weil ihr Allgemeinzustand oft schlechter ist und sie unter mehreren Erkrankungen leiden“, berichtet Sprecher Robin Jopp.

Ein Schlüssel ist die „Schlüsselloch-Chirurgie“: Kleine Schnitte sollen die Folgen eines Eingriffs mildern. Beim Einsatz einer künstlichen Herzklappe gilt Prof. Dr. Justus Strauch bundesweit als Pionier der minimal-invasiven Techniken. Bei einer herkömmlichen OP wird das Brustbein auf einer Länge von 35 Zentimetern durchtrennt und der Brustkorb komplett aufgeklappt. Prof. Strauch, seit Herbst 2010 Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am Bergmannsheil, reicht ein Schnitt von sechs bis sieben Zentimetern. Durch diesen kleinen Zugang kann der Chirurg die neue Aortenklappe im Herzen implantieren. „Die Behandlungserfolge sind ebenso gut und nachhaltig wie bei einer klassischen OP. Die Schmerzen, die kosmetischen Folgen und nicht zuletzt das Risiko von Wundheilungsstörungen sind jedoch deutlich geringer“, betont der 42-jährige Chefarzt.

Herzklappen-OP "im Schongang"

Am Bochumer Universitätsklinikum bezeichnet er sich als Vorreiter der Herzklappen-OPs „im Schongang“. Über 100 Patienten hat der aus Hildesheim stammende Prof. Strauch an seiner neuen Wirkungsstätte bereits erfolgreich behandelt – darunter Herbert Wyrwich. Seit den 1970er Jahren schleppte sich der Physik-Professor mit einem Herzklappenfehler herum. „Ich wurde schnell müde, die Beine wurden schwer.“ Als einer der ersten Patienten von Prof. Strauch am Bergmannsheil kam er im November unters Messer. „Der kleine Schnitt ist gerade für ältere Menschen ein Segen. Schon einen Tag nach dem Eingriff war ich wieder gut dabei“, zeigt sich Herbert Wyrwich blendend erholt.

Am Bergmannsheil erfolgen inzwischen nahezu 100 Prozent der Herzklappen-OPs im Minimal-Verfahren. Bundesweit sind es laut Prof. Strauch nur acht Prozent. Der Chefarzt macht dafür zwei Gründe aus: „Für den Chirurgen ist der Einsatz der Klappenprothese durch die kleine Öffnung mühsamer und schwieriger. Mit zweieinhalb Stunden dauert die Operation 30 Minuten länger.“ Gleichwohl werde sich das Verfahren durchsetzen: „Die jüngere Ärztegeneration wendet es zunehmend an.“

Zum Wohl von Patienten wie Herbert Wyrwich. Die Herzklappe aus Rinderherzbeutelgewebe hat eine Lebensdauer von 20 Jahren. Da kann er mit seiner Inge noch so manchen Tango tanzen.