Bochum. . Als erste Stadt im Ruhrgebiet bietet Bochum ab kommendem Schuljahr eine Gemeinschaftsschule an. Lehrer, Eltern und Schüler entwickelten nun gemeinsam das Konzept. Schulverwaltungsamtsleiter Wicking sieht Potenzial für drei weitere Modellschulen.

Sie haben sich richtig reingekniet und sind dafür belohnt worden: Als erste Stadt im Ruhrgebiet bietet Bochum ab kommendem Schuljahr an eine Gemeinschaftsschule an. Was sich hinter diesem etwas sperrigen Begriff verbirgt? Birgit Linden, Leiterin der Hermann-Gmeiner-Hauptschule, in deren Räumen die Schule im Sommer startet, denkt nur kurz nach und antwortet: „Längeres gemeinsames Lernen.“

Dort, wo jetzt noch Haupschüler unterrichtet werden, entsteht – Jahr für Jahr mehr – die neue Schulform. Gemeinsam entwickeln Lehrer, Eltern und Schüler das Konzept mit, probieren aus, um einen neuen Weg gemeinsam zu gehen. Geplant ist, dass es auf Dauer zwei Standorte geben wird. Die Jahrgangsstufen 5 und 6 bleiben in der ehemaligen Hauptschule. Bis zu vier Parallelklassen, mit maximal 25 Schülern, werden gebildet.

Aus dem Modellversuch kann mehr werden

Die Klassen 7 bis 10 kommen später zur jetzigen Helene-Lange-Realschule. Realschule und Hauptschule hatten sich bei der im November stadtweit durchgeführten Befragung entschlossen, künftig als Gemeinschaftschule zusammen zu gehen. Es wird derzeit überlegt, dort ebenfalls eine Mensa zu errichten, um für den sogenannten „gebundenen Ganztagsunterricht“ besser vorbereitet zu sein.

Gerade die kleinere Klassengröße ist ein Pfund, mit der die neue Schulform wuchern kann. Jetzt beginnt der zunächst auf sechs Jahre befristete Modellversuch. Wobei Fachleute davon ausgehen, dass daraus mehr werden kann. Schulverwaltungsamtsleiter Ulrich Wicking: „Wir haben in Bochum das Potenzial für drei weitere Gemeinschaftsschulen.“ Das werde die Stadt in Düsseldorf auch kundtun.

Die ständig schrumpfenden Anmeldezahlen für die Hauptschulen ließen gar keine andere Wahl. Im letzten Jahr meldeten die Eltern gerade einmal 111 Kinder auf Hauptschulen an. Es wird davon ausgegangen, dass in diesem Jahr die Zahl noch geringer sein dürfte. Ein trauriger Rekord.

Hauptschulabschluss als Stigmatisierung

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Von Michael Weeke

Birgit Linden, eigentlich Verfechterin der Schulform Hauptschule, sagt auch warum: „Es ist der Kopf oben auf dem Zeugnis, der heute zählt. Die Noten spielen gar nicht mehr die Hauptrolle.“ Der Kopf? Auf dem Zeugniskopf steht der Name der Schule. Und ein Hauptschulabschluss bedeutet offensichtlich beinahe eine Stigmatisierung.

Mit der Gemeinschaftsschule setzen die Pädagogen nun auf ein Konzept, das mit gymnasialen Standards und einer individuellen Förderung arbeitet. Dort, wo jetzt noch Schülerinnen und Schüler der 8 b der Hermann-Gmeiner-Hauptschule unterrichtet werden, beginnen ab Sommer Zehn- und Elfjährige ihren neuen Lebensabschnitt. In dem erst 2008 neu errichteten Gebäudeteil hat die Zukunft jetzt schon begonnen. Hier ist die Kreidezeit passé, „interaktive Whiteboards“ haben dort bereits Einzug gehalten. Diese elektronischen Schultafeln sind mehr als Spielerei, Schülerinnen und Schülern eröffnet sie völlig neue Dimensionen des Lernens.

Bei vielen Eltern scheint es sich schon herumgesprochen zu haben. Bei Birgit Linden klingelt jetzt häufiger das Telefon.