Bochum. .

Die Wechselwirkungen von Krebs und Psyche waren Thema beim WAZ-Medizin-Dialog. Jeder dritte Krebserkrankte ist depressiv. Mediziner appellieren: Offener Umgang ohne falsche Rücksichtnahme kann die seelischen Nöte lindern.

Geteiltes Leid ist halbes Leid: Wer an Krebs erkrankt, schlägt diese Volksweisheit allzu häufig in den Wind, meint, auch allein zurecht zu kommen. Dabei können Reden, Zuwendung, Trost zwar nicht den Krebs heilen, wohl aber die Schmerzen in Körper und Seele lindern, betonten die Referenten des WAZ-Medizin-Dialogs am Donnerstag, 4. November.

Die Referenten: PD Dr. Roland Schroers, PD Dr. Christine Norra. Foto: Ingo Otto / WAZ FotoPool
Die Referenten: PD Dr. Roland Schroers, PD Dr. Christine Norra. Foto: Ingo Otto / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Jährlich 400 000 Menschen in Deutschland ereilt die Schock-Diagnose: Krebs. Bei den Männern steht der Prostata-, bei den Frauen der Brustkrebs oben auf der Liste. Die seelischen Folgen sind bei jedem Befund dramatisch: „Es ist die Angst vor Schmerzen, vor Siechtum, vor dem Tod“, weiß Prof. Dr. Georg Juckel, Ärztlicher Direktor des LWL-Universitätsklinikums. Die Wechselwirkungen von Krebs und Psyche beleuchteten der Psychiatrie-Professor und drei weitere Experten vor 170 Besuchern beim WAZ-Medizin-Dialog in Zusammenarbeit mit dem LWL-Universitätsklinikum.

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Mens sana in corpore sano: ein gesunder Geist in einem gesunden Körper. Doch auch umgekehrt gilt: Wer körperlich schwer erkrankt, erleidet häufig seelischen Schaden. „Jeder dritte Krebserkrankte ist depressiv, mut- und antriebslos, oft im Zuge einer Chemotherapie. Jeder elfte Patient gilt als selbstmordgefährdet“, sagt Prof. Juckel.

Depressionen werden vielfach nicht erkannt

Die Dunkelziffer ist vermutlich deutlich größer. „Gerade bei Krebserkrankten werden Depressionen vielfach nicht erkannt und somit nicht behandelt. Grund: Die Betroffenen meinen, Angst und Depressionen seien Zeichen von Charakterschwäche. Sie wollen niemandem ,etwas vorjammern’, keinem ,zur Last fallen’ und verbergen ihre Seelennöte vor dem Arzt und der Familie“, erklärt Ruhr-Uni-Professorin Dr. Monika Hasenbring (Lehrstuhl für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie).

Ähnlich „irrationale Überzeugungen“ beobachtet sie bei Tumorschmerzen: „Patienten meinen, sie seien ein Zeichen fürs Endstadium.“ Das sei zwar meist ein Trugschluss, führe aber dazu, dass auch körperliche Schmerzen verschwiegen werden: wiederum mit schlimmen Folgen für die Seele. Schluss mit falscher Rücksicht!, appelliert Dr. Hasenbring. „Sprechen Sie mit Ihrem Partner, der Familie und Freunden offen über Ihre Krankheit. Lassen Sie sich trösten, spenden Sie Trost. Auch Selbsthilfegruppen können eine Stütze sein.“ Wer das Schneckenhaus verlässt, werde alsbald spüren, dass die Ängste und Anspannung zurückgehen - „und damit auch die Schmerzen.“ Therapeutische Sitzungen unterstützen das Bemühen, das innere Gleichgewicht wiederzufinden, neuen Lebensmut zu schöpfen. „Auch Angehörige haben bei der Krankenkasse Anspruch auf fünf Sitzungen.“

Autogenes Training und Yoga können helfen

Der Gang zum Facharzt sollte auch bei behandlungsbedürftigen Schlafproblemen Pflicht sein. „31 Prozent aller Krebspatienten sind davon betroffen - doppelt so viele wie im Bundesdurchschnitt. Während einer Chemotherapie steigt die Quote sogar auf 80 Prozent“, berichtet Dr. Christine Norra, Oberärztin am LWL-Universitätsklinikum.

Prof. Dr. Monika Hasenbring von der Ruhr-Universität.Foto: Ingo Otto / WAZ FotoPool
Prof. Dr. Monika Hasenbring von der Ruhr-Universität.Foto: Ingo Otto / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Autogenes Training und Yoga können zu einem gesunden Schlaf ebenso beitragen wie Mittel aus der Apotheke Natur, etwa Baldrian, Hopfen und Melisse. Bei einer Verhaltenstherapie sei zudem ein „Gedankenstopp“ erlernbar. Der wird aktiviert, wenn der Kopf nachts vor Angst und Sorgen platzen will. Dringend warnt die Schlaf-Medizinerin vor einer Selbstmedikation. Eine medikamentöse Therapie sei immer mit dem behandelnden Arzt abzustimmen.