Bochum. .
Mit einem großen Plakat am Portal des Bochumer Schauspielhauses wirbt der neue Intendant Anselm Weber für seine erste Spielzeit. Er will multikulturell in die Stadt hinein wirken und im Theater die kulturelle Vielfalt des Ruhrgebiets widerspiegeln.
Noch ist es still im Schauspielhaus. Nur ein Riesenbanner am Portal kündet davon, dass in der Theaterburg schon bald Neues beginnen wird: die Intendanz von Anselm Weber. Vielleicht ist es Zufall, doch die Großgraphik, die nun vom Portal um das künftige Publikum wirbt, ähnelt im Stil abenteuerlichen Underground-Zeitungen aus den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
Eine Zeit, in der das Establishment verabscheut wurde und sich (Gegen-)Kultur abseits der öffentlichen Finanztöpfe abspielte. In dieser Hinsicht tritt das Schauspielhaus mit seinen millionenschweren Subventionen sicherlich in einer anderen Liga auf. Und doch: Das Konzept, mit dem Anselm Weber winkt, scheint nicht nur Utopien anzusteuern, sondern ebenso Pfade abseits des bürgerlichen Kunstkanons betreten zu wollen. Das geht jedenfalls aus dem Aufsatz hervor, den der Intendant mit seinen Dramaturgen Sabine Reich und Thomas Laue für die Fachzeitschrift „Theater heute“ verfasst hat.
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Darin heißt es, das Stadttheater sehe sich heute „einer Gesellschaft gegenüber, die ihm zunehmend fremder wird und der gleichzeitig das Theater immer fremder wird“. Weiter heißt es: „Wir schauen auf eine Welt, in der die unplanbaren Ränder wachsen und mit ihr eine diffuse Masse von Menschen, die anscheinend von bürgerlichen Institutionen und Ordnungen nicht erreicht wird.“ Allerdings nehme das Stadttheater nach wie vor für sich in Anspruch, ein „identitätsstiftender Raum im Zentrum der Stadt zu sein“, so Anselm Weber und seine Dramaturgen.
Intendanz beginnt am 18. September mit Theaterfest
Wolle das Theater diesem Anspruch gerecht werden, müsse es auf die Vielschichtigkeit der Identitäten in der Stadt reagieren. Und nun folgt ein Satz, der zentral für die Theaterarbeit von Weber und seinem Team zu sein scheint: Die Arbeit mit Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft dürfe „kein Minderheitenproblem am Rande des Spielplans sein, sondern muss im Zentrum des eigenen Selbstverständnisses stehen“. Erst dann sei das Theater wieder angekommen in einer Gesellschaft, „die bestimmt ist von vielschichtigen Biografien, Kulturen und Lebensentwürfen“.
Wie den Bannern am Schauspielhaus zu entnehmen, beginnt die Intendanz von Anselm Weber am 18. September mit einem Theaterfest. Das hat Tradition in Bochum. Den Premierenreigen eröffnet Regisseur Paul Koek am 23. September mit „Candide oder Der Optimismus“ von Voltaire. Tags darauf steht das Tanztheaterprojekt „Nouvelle Piece“ von Malou Airaudo in den Kammerspielen auf dem Programm. Im Theater unten ist an diesem Abend als Uraufführung „Eleganz ist kein Verbrechen“ von Gintersdorfer/Klaßen zu sehen.
Abends drauf kann im großen Haus die Inszenierung jenes jungen Regisseurs begutachtet werden, der während der Intendanz von Matthias Hartmann mit „Romeo und Julia“ auf sich aufmerksam gemacht hat. Eine Art Rückkehr also: David Bösch zeigt seine Sicht auf „Der Sturm“ von Shakespeare. In der Vergangenheit haben die neuen Intendanten ihre erste Spielzeit mit einer eigenen Regie eröffnet, diesmal ist es anders. Die Regiekünste des neuen Theaterleiters wird das Publikum erst am 26. September und dann nicht im Großen Haus, sondern in der „Kammer“ erleben können. Anselm Weber zeigt die Uraufführung des Stücks „Eisenstein“ von Christoph Nußbaumeder.
Unlängst hat Anselm Weber einmal in einem Interview gesagt: „Stadttheater war ja immer ein Schimpfwort. Aber auch Stadttheater kann sexy sein.“ Um den Titel eines alten Theaterstücks zu variieren: Was ist an Anselm so sexy? Das Publikum wird es bald erfahren.