Bochum. Es kam, wie es sich bereits am Montag angedeutet hatte. Die NRW-Landesregierung hat den langjährigen Bochumer Polizeipräsidenten Thomas Wenner (62) in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Die CDU nutzt den Zwangsabschied, um die SPD zu attackieren. Und die keilt zurück.
Die NRW-Landesregierung hat den langjährigen Bochumer Polizeipräsidenten Thomas Wenner (62) in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Innenminister Ingo Wolf (FDP) hatte das in der Kabinettssitzung am Dienstagnachmittag in Düsseldorf so vorgeschlagen - und die Kollegen folgten ihm. „Gründe, die zu dieser Entscheidung geführt haben”, ließ Wolf mitteilen, „werden von mir nicht öffentlich kommentiert. Das ist eine gute Tradition.”
Er soll illoyal gegenüber der Regierung gewesen sein
Hintergrund, so erfuhr die WAZ, soll aber der Vorwurf der Illoyalität gegenüber der Regierung sein: SPD-Sympathisant Wenner soll der SPD-Landtagsfraktion in einer politischen Streitsache gegen die schwarz-gelbe Regierung zum Thema Organisierte Kriminalität Schützenhilfe geleistet haben. Er soll einen SPD-Arbeitsauftrag für eine regierungskritische Anfrage im Landtag angenommen und weitergeleitet haben. Als politischer Beamter wurde Wenner aber von Wolf als Repräsentant der Regierung angesehen, der loyal sein muss.
Wenner schon im Urlaub
Bereits am Freitag hatte sich Wenner in seinen Urlaub verabschiedet. Zufall? Oder ahnte er bereits, dass ihm aus Düsseldorf Ungemach droht? Erreichbar war er am Dienstag nicht. Wenn überhaupt, will er sich erst äußern, wenn ihm der Minister eine schriftliche Begründung geschickt hat. 16 Jahre lang war Wenner im Amt. Seine Amtsgeschäfte erledigt jetzt der Leitende Regierungsdirektor Wolfgang Sprogies. Der Chef der Verwaltung der Bochumer Polizei vertritt ihn auch sonst bei Abwesenheit.
Bespitzelungs-Vorwürfe
Ob es weitere Gründe für Wenners unfreiwillige Demission gibt, ist unklar. Es gab zuletzt einige Stimmen in der Polizei, die ihm Mobbing und Bespitzelung unliebsamer Mitarbeiter vorwerfen. Erst vor zweieinhalb Wochen hatte deshalb ein Polizeioberkommissar (58) am Landgericht das Land verklagt. Er will 30 000 € Schmerzensgeld. Es ist aber ebenfalls noch unklar, ob seine Vorwürfe berechtigt oder nur von eventuell eigenen Versäumnissen ablenken sollen. Es gibt noch kein Urteil. Wenner soll ihn Zeugen zufolge vor versammelter Mannschaft als „faulsten Beamten” der Behörde bezeichnet haben, wenn auch ohne seinen Namen zu nennen.
Oft für einen markigen Satz gut
In der Tat ist Wenner oft für einen markigen Satz gut. Auch politisch. Als 2003/2004 das seit langem größte Verbrechen im hiesigen Polizeibezirk passierte - ein Deutsch-Kasache (damals 19) aus Herne hatte im Drogenmilieu sieben Menschen getötet, fast alle mit Kopfschuss - sprach Wenner vom „Ergebnis einer deutsch-tümelnden Einwanderungspolitik der Regierung Kohl”.
Nachfolger noch unklar. Diesmal eine Frau?
Über die Nachfolge Wenners entscheidet erneut das Landeskabinett, ebenfalls auf Vorschlag des Innenministers. Wann das passiert, ist völlig ungewiss. Eventuell wird diesmal auch eine Frau Chefin der 2000 Beamten des Bochumer Polizeipräsidiums (davon rund 100 in Witten und rund 300 in Herne). Dies ist bereits in Essen, Hagen, Recklinghausen oder Oberhausen der Fall.
CDU attackiert die SPD
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Peter Biesenbach, begrüßte den Zwangsabschied Wenners. Der Polizeipräsident habe jenen Arbeitsauftrag eines SPD-Landtagsabgeordneten in seiner Behörde weitergegeben, ohne darüber seinen Dienstherren, den Innenminister, zu informieren. Das sei "ein schweres dienstrechtliches Vergehen" und "schon ein beispielloses Stück Illoyalität". Der CDU-Jurist weiter: "Die SPD in NRW muss endlich lernen, dass sie nicht mehr ungeniert Behörden für sich arbeiten lassen kann. Diese Zeiten haben sich seit dem Wahlsieg von CDU und FDP im Frühjahr 2005 geändert."
SPD wehrt sich
Die SPD wirft der Landesregierung ihrerseits vor, in einer „vollkommen überzogenen Reaktion den fachkundigen und stets loyalen Polizeichef Thomas Wenner bei erstbester Gelegenheit in die Wüste zu schicken”.
Ziel der Aktion, heißt es regierungsintern, sei es gewesen, „im Sinne der SPD Schwächen der Landesregierung aufzudecken". Das sei „Parteiarbeit im Dienst”. Für den SPD-Innenexperten Karsten Rudolph dagegen ist die Personalentscheidung „völlig unangemessen”. Der „Einschüchterungsversuch gegenüber Mitarbeitern der Landesverwaltung” beweist für die SPD, dass die schwarz-gelbe Regierung im Umgang mit ihren Bediensteten zweierlei Maß anlege.
Rudolph beruft sich auf den bekanntgewordenen E-Mail-Verkehr zwischen Staatskanzlei und CDU-Landeszentrale, der heute erneut im Landtag debattiert wird. Während Wenner „disziplinarisch gemaßregelt” werde, dürfe Abteilungsleiter Boris Berger als politischer Chefberater von CDU-Regierungschef Jürgen Rüttgers in der Regierungszentrale „ungestraft Schützenhilfe für die CDU leisten”.