Bochum/Wattenscheid. Die Hauptschule Wattenscheid-Mitte trägt vom 1. August 2010 an den Namen Liselotte-Rauner-Schule. Dadurch erhält die bekannte Lyrikerin ein bleibendes Angedenken.
Meist sind es Autorinnen und Autoren, die mit spitzer Feder politische und moralische Fehlentwicklungen geißeln, nach denen Schulen benannt werden. Schriftsteller, die als Vorbild gelten können für das Ideal des mündigen Bürgers. Nicht von ungefähr tragen in Bochum Schulen die Namen von Heinrich Böll und Erich Kästner. In diese Reihe stellt sich auch der künftige Name der Hauptschule an der Voedestraße. Wie Böll und Kästner hielt sich Liselotte Rauner nie mit träumerischer Naturlyrik auf, sondern stand in vorderer Reihe, wenn es galt, Protest anzumelden gegen Wilkür und Eigennutz der Herrschenden. Ihr ging es darum, wie sie einmal schrieb, dass „der Volksmund mündig wird”.
Unruhe und Revolte
Sie ist eine Autorin gewesen, die mit und an den Unruhen, der Revolte der 60er und 70er Jahren literarisch gewachsen ist. Sie verstand sich als „Arbeiterdichterin” und erklärte sich solidarisch mit den im Ruhrgebiet lebenden Menschen. Rauner gehörte zu den wichtigen Stimmen, die sich um den damaligen Leiter der Gelsenkirchener Literarischen Werkstatt, Hugo Ernst Käufer, versammelt hatten, und die einer Industrie- und Arbeiterdichtung das Wort redeten. Ganz nach dem Motto des Mitstreiters Richard Limpert: „Heut geh'n wir nicht zum Arbeitsplatz, heut' machen wir Rabatz.” Rauner kommentierte den tiefgreifenden Strukturwandel im Ruhrgebiet, Wut, Ohnmacht und Aufbegehren der Betroffenen in eigenwilligen Texten, in Kurzprosa, Lyrik und Chansons.
Doch reine Agitation-Propaganda (Agitprop) war die Sache nicht von Lilo Rauner, dafür besaß sie ein viel zu feines Sprachgefühl. Kein Wunder: Die 1920 in Bernburg an der Saale geborene und im Juli 2005 in Bochum verstorbene Lyrikerin hatte in jungen Jahren eine Schauspiel- und Gesangsausbildung absolviert, war danach am Theater in Bernburg aufgetreten. 1941 heiratete sie Walter Rauner. Das Ehepaar zog einige Jahre später um nach Wattenscheid.
Sie zog sich zurück
Ab 1969 verstand sich Lilo Rauner als freie Schriftstellerin:ihr Förderer bis zuletzt blieb der Bochumer Autor Hugo Ernst Käufer. Als Lilo Rauners Mann 1992 starb und sich die Autorin danach immer mehr aus der Öffentlichkeit zurückzog, wurde er nicht müde, sie zum Weiterschreiben zu ermuntern.1998 gründete Lilo Rauner im Gedenken an ihren verstorbenen Mann die „Liselotte-und-Walter-Rauner-Stiftung", die zeitgenössische Lyrik in Nordrhein-Westfalen fördert. Eine kleine Reihe von Gedichtbänden ist im Laufe der Zeit veröffentlicht worden.
Auf Hugo Ernst Käufers Initiative hin wurde am Haus, in dem Liselotte Rauner gewohnt hatte, eine Gedenktafel angebracht. Die Wohnung der Dichterin liegt in unmittelbarer Nähe zur Hauptschule Wattenscheid-Mitte. Doch nicht nur die räumliche Nähe zur Schule, sondern viel mehr noch Rauners Verbundenheit und ihr Engagement für die Interessen der arbeitenden Bevölkerung hat die Schule dazu bewogen, sich für den Namen der Lyrikerin zu entscheiden. Für diesen Entschluss kommt hohes Lob sowohl von der Rauner-Stiftung als auch von der Bochumer Kulturverwaltung. Hugo Ernst Käufer: „Es ist doch schön, dass in Bochum eine Schule nach einer Autorin aus dem Ruhrgebiet benannt wird.” Vielleicht gerade im Kulturhauptstadtjahr ein besonderes Signal.