Bochum. Der Plan, in einem leerstehenden Seniorenheim Flüchtlinge unterzubringen, kommt überraschend. Die Reaktionen sind völlig unterschiedlich.
Eigentlich hatte die Convivo-Unternehmensgruppe das ehemalige städtische Seniorenheim an der Grabelohstraße in Langendreer aufwendig zu einem modernen Seniorenzentrum umbauen wollen. Die Luehrsen Investment Unternehmensgruppe hatte den in den 90er Jahren gebauten Gebäudekomplex im vergangenen Jahr von der Stadt gekauft. Dass dort jetzt bis zu 300 Flüchtlinge einziehen sollen, überrascht vor allem die Menschen vor Ort.
Anwohner Siegfried Schröder kennt das Altenheim nur zu gut: „Ich war dort häufig, weil meine Schwiegermutter dort gelebt hat.“ Die Nachricht, dass hier womöglich bald viele Geflüchtete einziehen werden, beunruhigt ihn nicht. „Das ist doch kein Problem, ich habe selbst daran gedacht, dass das doch ganz gut passen würde.“
„Die Menschen müssen doch irgendwo unterkommen“
Er ruft einen Bekannten, der gerade auf der andren Straßenseite unterwegs ist. „Die Menschen müssen doch irgendwo unterkommen“, sagt der. Von der Grabelohstraße gehen kleinere Straßen ab. Doppelhaushälften, gepflegte Mehrfamilienhäuser finden sich an der Adelagasse, dem Maashänseweg. Es ist eine ruhige Wohngegend.
Ein Anwohner, der gerade in sein Auto steigt, ist skeptisch, ob das funktionieren könnte mit den Flüchtlingen. „Wir haben eigentlich eine gute Nachbarschaft hier. Im Sommer wird gemeinsam gegrillt“, erzählt er, aber es sei eben auch recht eng gebaut. „Ich glaube, das könnte hier Theater geben“, gibt er vorsichtig zu bedenken.
Das glaubt Karsten Höser, der als Quartiersmanager der Werbegemeinschaft Langendreer gut vernetzt ist im Stadtteil, ganz und gar nicht. „Wir haben hier gute Erfahrungen gemacht, es gibt ein Café zum Austausch, eine Kleiderkammer. Dieser Stadtteil ist offen für ein gemeinsames Leben.“ Nicht zuletzt habe die „Flüchtlingsinitiative Langendreer“ hier gute Arbeit geleistet.
In Stiepel gab es in der Vergangenheit offenen Widerstand
Etwas anders ist die Situation in Stiepel. Es gibt zwar keine direkten Nachbarn zur erneut geplanten Flüchtlingsunterkunft an der Kemnader Straße 437. Trotzdem zeigt die Geschichte, dass Vorbehalte leicht entstehen können. Als Anfang der 90er Jahre schon einmal Flüchtlingsunterkünfte dort gebaut werden, gibt es Protest aus der Siedlung rund um die Galgenfeldstraße. Einige der Villen stehen nur gut 300 Meter entfernt. Anstatt auf Ackerland geht der Blick nun auf die Notunterkünfte.
Bezirksbürgermeister Helmut Breitkopf (SPD) erinnert sich, wie sich unter dem Vorwand, dass den Flüchtlingen doch nicht unmittelbar vor Augen geführt werden sollte, wie wohlsituiert die Deutschen dort lebten, Widerstand formte. Doch die Anlage wurde ge- und später wieder abgebaut. Als bei der deutlich größeren Zuwanderung um 2015 erneut Container dort errichtet wurden, ging das alles wesentlich geräuschloser ab. Breitkopf findet es wichtig, „dass wir auch jetzt wieder gleichmäßig die Menschen auf verschiedene Stadtteile verteilen“.
Doch die vorgetragene Offenheit hat Grenzen. Nur wenige Meter von der Kemnader Straße entfernt auf einer Wiese an der kleinen Straße „In der Hei“ sollte 2016 eine weitere große Einrichtung für bis zu 450 Flüchtlinge gebaut werden. Es regte sich breiterer Widerstand, sogar eine Bürgerinitiative wurde gegründet. Gebaut wurde diese Großunterkunft nicht, was letztlich aber, so erinnert sich Breitkopf, auch an der landschaftlich etwas schwierigen Lage durch das erhebliche Gefälle des Grundstücks gelegen habe.
Übrigens lief 2016 die Einrichtung des Containerdorfs am Bövinghauser Hellweg recht geräuschlos ab. Vielleicht lag es auch daran, dass die Bevölkerung vorab Gelegenheit bekam, die Anlage zu besichtigen und sich zu informieren.