Bochum-Hiltrop. Bochumer Partner kaufen alte Friedhofsgärtnerei. Sie wollen ungewöhnliche Wege gehen. Gesucht werden Menschen mit neuen Ideen fürs Gärtnern.
Als Andreas Paulsen und sein Geschäftspartner Xhavit Tahiri vor einem Jahr die Friedhofsgärtnerei Marscheider kauften, wussten beide: Die Zeit der klassischen Friedhofsgärtnereien ist vorbei. „Das bekommen Sie heute viel günstiger aus dem holländischen Großhandel. Wollte man Friedhofsblumen selber züchten, würde man draufzahlen“, erklärt Paulsen.
Und dennoch haben die Geschäftsleute in die „AT Gärtnerei UG“ viel Zeit und noch mehr Geld investiert, um die Gewächshäuser, die lange leer standen, zu renovieren und zu modernisieren. „Ich weiß noch nicht, wo die Reise hingeht“, sagt Paulsen als einer der neuen Besitzer des 10.000 Quadratmeter großen Grundstücks mitten im ruhigen Hiltroper Wohngebiet.
Mit Rendite kann der Bochumer Betrieb vorerst nicht rechnen
„Wir fangen bei Null an und zahlen vorerst drauf“, versichert der gebürtige Norddeutsche, gibt sich aber sehr zuversichtlich. Er handele gegen den Zyklus. Zwar sei mit Rendite vorerst nicht zu rechnen, doch der Unternehmer will sich und seinen bislang drei festen Mitarbeitern Nischen in der Branche suchen.
Welche, steht noch nicht fest. „Wir probieren uns aus“, gibt sich Paulsen ganz gelassen. Die Verluste, die er momentan mit seiner neuen Errungenschaft schreibt, kann er durch seinen Garten- und Landschaftsbaubetrieb in Hamme ausgleichen. Deshalb stehen die Geschäftspartner bislang nicht unter Druck. Die Gärtnerei dient als Plattform, die Marschroute ist noch offen.
Gesucht werden Menschen, die Spaß an einer neuen Ausrichtung haben
Für Paulsen ist es wichtig, Menschen zu finden, die Ideen und Spaß an einer neuen Ausrichtung im Gärtnern haben. „Ich brauche keine Mitarbeiter, denen ich sagen muss, was sie tun sollen.“ So plant er auch, mit Bochumer Urban-Gardening-Gruppen Kontakt für gemeinsame Projekte aufzunehmen. Fest steht nur, die alte Schiene Friedhofsgärtnerei kommt nicht in Frage. Er sagt: „Erst einmal haben wir hier die Produktionsmittel; über das Produkt werden wir uns noch Gedanken machen.“ Blumen aber will der Betrieb nicht züchten.
Dafür Mammutbäume – die könnten eine der Nischen füllen. Noch sind die Pflänzchen winzig und so zart, dass man sich kaum vorstellen kann, dass sie in einigen Jahren ihrem Namen alle Ehre machen werden. Inspiriert dazu haben Paulsen zwei große stattliche Exemplare auf dem Gelände, beide etwa 60 Jahre alt.
Mammutbäume für städtische Parks züchten
„Das könnte etwas für Kommunen für die Parks sein. Mammutbäume sind Klimabäume, also Gewächse der Zukunft“, erklärt Marion Graberg. Sie arbeitet seit gut vier Monaten bei Paulsen. Die Bochumerin stieß durch eine Kleinanzeige, „Gartenhelferin gesucht“, auf das Unternehmen. „Ich war gelernte Bürokauffrau und suchte einen Nebenjob.“ Heute arbeitet sie hauptamtlich mit Pflanzen, vorrangig Sukkulenten, und brennt dafür.
„Es braucht viel Liebe im Umgang mit Pflanzen“, betont sie, und man sieht es ihr an. Was sie an dem neuen Job so gereizt hat: „Dass hier ein Wagnis eingegangen wird.“ Ihr Chef könne die Leute mitreißen durch seine positive Einstellung, „er glaubt an das Projekt“.
Bevor der Vorbesitzer Marscheider Am Krähennocken 1969 seine Friedhofsgärtnerei eröffnete, gab es dort einen Sport- und Hundetrainingsplatz.
Grundstück stand zur Zwangsversteigerung an
Vor vier Jahren dann stand das Grundstück zur Zwangsversteigerung an. „Mein Partner und ich waren sehr angetan, wurden aber von der Kirche überboten.“ Die bekam den Zuschlag aber auch nicht. Der Eigentümer verkaufte das Areal an einen Dritten. Enttäuscht vernichtete Paulsen alle Unterlagen. Bis vor zwei Jahren die Gärtnerei im Internet angeboten wurde: Der gebürtige Flensburger Paulsen und der Kosovare Tahiri schlugen hocherfreut zu.
Anfang des Jahres begann die Instandsetzung. Zunächst galt es, die 1500 Quadratmeter Gewächshäuser zu reparieren. Zig Tonnen Müll mussten beseitigt und etliche Glasscheiben erneuert werden. Hier wurde das meiste investiert. Doch auch für die nächsten Jahre bleibt viel zu tun. Paulsen ist gelernter Landwirt, hat aber viele Jahre in der IT-Branche gearbeitet.
Auf dem Grundstück stehen zwei Häuser, die Paulsen und Tahiri renovieren und beziehen. Erst vor einem Jahr war die Familie des ehemaligen Besitzers dort ausgezogen. Zum „Inventar“ gehört auch das 30-jährige Pferd „Promise“. Das stand die letzten Jahre allein auf der Koppel. „Da habe ich ihm mit dem Pony ,Lika’ einen Freund besorgt.“ Beide verstehen sich prima, tollen gemeinsam herum. Im angrenzenden Hühnerstall geht es lebhaft zu: 15 Hühner verschiedener Rassen hat sich Paulsen zugelegt.
Um die Nachbarschaft kennenzulernen, wird es am 18. November einen Tag der offenen Tür geben. „Wir stellen uns vor und hoffen auf nette Begegnungen“, freut sich Marion Graberg auf den Termin. Dort stellt sie ihre Kreation vor: Kugeln, bepflanzt mit Sukkulenten, die nicht nur aus dem Gefäß wachsen, sondern auch auf dem Stein selbst.