Bochum-Querenburg. Neben dem Technologiequartier in Bochum soll ein Gewerbegebiet entstehen. Naturschützer kritisieren die Planung – und fühlen sich übergangen.

Das Technologiequartier der Ruhr-Universität Bochum (RUB) soll erweitert werden – mitten hinein ins Grüne. Der kürzlich erst von der Stadt aufgestellte Rahmenplan „Campus Bochum“ sieht eine Entwicklung von Gewerbeflächen für Technologie-Unternehmen vor. Naturschützer sind von der Planung ganz und gar nicht begeistert. Sie kritisieren diesen weiteren Einschnitt in die Natur und fühlen sich von der politischen Diskussion zudem ausgegrenzt.

Neues Gewerbegebiet in Bochum geplant: Naturschützer laufen Sturm

Das neue Gewerbegebiet soll unterhalb des Technologiequartiers (Lise-Meitner-Allee) entstehen und den Hustadtring mit den Auffahrten zur Universitätsstraße – den sogenannten Ohren – mit einbeziehen. Das 9,1 Hektar große Plangebiet reicht bis zur Straße Vor den Teichen und ans Königsbüscher Wäldchen heran. Das Gebiet dient unter anderem der Regenrückhaltung. Laut Stadt kann der hohe Bedarf an Flächen in räumlicher Nähe zur RUB und Hochschule absehbar nur auf diesen östlich angrenzenden Flächen in Nachbarschaft des bestehenden Technologiequartiers umgesetzt werden.

Um das Projekt realisieren zu können, soll der Bebauungsplan Nr. 1039 aufgestellt werden, für den einige ältere aufgehoben würden. Im Zuge des Planverfahrens soll dann über eine Machbarkeitsstudie geklärt werden, wie das neue Gewerbegebiet verkehrlich angebunden wird. Bezirksbürgermeister Helmut Breitkopf (SPD) hält ein Verkehrsgutachten mit für das Wichtigste, es gehe zwischen Hustadtring und Unistraße immerhin um einen Höhenunterschied von mehr als sieben Metern.

Unterhalb des Technologiequartiers der Ruhr-Universität Bochum, links und rechts der Lise-Meitner-Allee, soll ein neues Gewerbegebiet entstehen – mitten im Grünen.
Unterhalb des Technologiequartiers der Ruhr-Universität Bochum, links und rechts der Lise-Meitner-Allee, soll ein neues Gewerbegebiet entstehen – mitten im Grünen. © Gernot Noelle

Ein weiterer bedeutender Punkt ist aber natürlich auch der Eingriff in die Natur und der entsprechende Ausgleich dafür. Die Stadt will „die Übergänge der Gewerbe- und Verkehrsflächen in die angrenzenden Landschaftsräume verträglich gestalten und die naturschutzrechtlichen Anforderungen im Bebauungsplan regeln“. Aktuell jedoch lasse der Regionale Flächennutzungsplan (RFNP) die vorgesehene Entwicklung Fläche nicht zu, heißt es aus dem Rathaus. Von daher strebt man eine entsprechende Änderung des RFNP an.

Der Naturschutzbeirat kritisiert das Vorhaben am Technologiequartier vehement. Er sieht „erhebliche Eingriffe in Flora und Fauna“ und weist darauf hin, dass nun für weitere Versiegelung Bäume weichen müssten, die bereits als Ausgleich für andere Bauvorhaben dort gepflanzt worden seien – was die Verwaltung bestätigt. Der Regionale Grünzug Ölbachtal würde somit noch weiter entwertet. Heidi Hopkins, Mitglied des Naturschutzbeirates, bittet darum, das Ganze „sehr sorgfältig“ zu prüfen: „In Bochum herrscht ein großer Mangel an Ausgleichsflächen.“

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Die Stadt Bochum sei bekannt „für ein reges Planungsgeschehen, was umfangreiche Flächenversiegelungen verursacht“, so Hopkins weiter. Dies habe erhebliche Nachteile für Klima- und Artenschutz. Der Artenschwund sei auch in Bochum besorgniserregend, der Klimanotstand in aller Munde. „Dennoch plant und baut die Stadt Bochum, als ginge sie das nur bedingt an.“ Hopkins: „Es reicht nicht, nur ein paar Ausgleichsbäume zu pflanzen. Ein funktionsfähiges Entsiegelungskonzept ist längst überfällig.“

Und ebenso eine Beteiligung an der politischen Diskussion über solch bedeutende Bauprojekte. „Aufgabe des Naturschutzbeirates ist es, u.a. Verwaltung und Politik in Sachen Natur- und Landschaftsschutz zu beraten“, erklärt Heidi Hopkins. „Um dies zu ermöglichen, ist der Naturschutzbeirat möglichst frühzeitig zu beteiligen.“ Dies sei in diesem Fall – „wie so oft“ – nicht geschehen. „Wir haben nur durch Zufall davon erfahren.“

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So habe man sich dann zumindest in der Bezirksvertretung Süd zu Wort melden können. Auch dort wurde das geplante Gewerbegebiet kontrovers diskutiert. Wegen Beratungsbedarf war das Thema ohnehin von der Juni-Sitzung bis nach den Sommerferien geschoben.

Am Ende wurde dem Vorhaben am Technologiepark bei sechs Enthaltungen unter Berücksichtigung eines Änderungsantrags von SPD und Grünen das Okay gegeben. Dieser sieht bei Umsetzung des Bebauungsplanes „eine geeignete Ausgleichsfläche für die wertvollen und im Landschaftsschutzgebiet liegenden Flächen“ vor. Zudem sollen zu fällende Bäume doppelt ausgeglichen werden – im Stadtbezirk Süd. Auch soll im erweiterten Technologiequartier eine Fläche für eine Kita ausgewiesen sein. Und Rot-Grün besteht ausdrücklich auf einem Verkehrsgutachten.

Bürgerversammlung gefordert

In der Diskussion über die vorgesehene Erweiterung des Technologiequartiers erinnert Wolfgang Czapracki-Mohnhaupt vom Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung an 1981. „Damals sollte auf diesem Gelände ein Haftkrankenhaus mit Resozialisierungsanstalt gebaut werden.“

Die Hustädter hätten sich vehement dagegen gewehrt und seien mit Bussen zum Rathaus gefahren. „Das Oberverwaltungsgericht Münster hat damals eine Sitzung dort abgehalten. Die sind auch über den Kalwes gelaufen, um sich alles vor Ort anzusehen, und haben nachher einer Klage stattgegeben.“

Czapracki-Mohnhaupt kritisiert, dass man jetzt einen Bereich, der damals bewusst frei gehalten worden sei, wieder in Anspruch nehmen will. „Ja, wir brauchen Strukturwandel“, sagt er, „den können wir aber nicht ohne Klimawandel denken.“ Sein Vorschlag: Jetzt schon eine Bürgerversammlung einberufen, um die Schwierigkeiten im Vorfeld darzustellen.

„Das ist schon ein Spagat für uns“, gesteht Clara Padberg von den Grünen. Parteikollegin Birgit Fligge fordert die Verwaltung derweil auf, zu prüfen, „ob und warum der Naturschutzbeirat nicht mit in die Beratungsfolge aufgenommen wurde“. Das müsse sonst nachgeholt werden.

Die Entscheidung über die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 1039 trifft am 19. September der Ausschuss für Planung und Grundstücke.