Bochum. Tim Kramer hat ein schwieriges Jahr hinter sich, der Fotograf fühlte sich deplatziert. Im einem Geschäft in Bochum ist er nun „Einsam Gemeinsam“.

Tim Kramer ist einsam. Manchmal. Aber er hat nicht gerne darüber geredet, sagt er. Zumindest bis vor kurzem. Zumindest, bis er das Thema im vergangenen Jahr mehr in den Fokus rückte. In den seiner Kamera und auch in den seines Lebens. Mittlerweile stehen die Motive des Fotografen in einem Ladenlokal auf dem Südring und sind Teil der Ausstellung „Einsam Gemeinsam“. Entstanden sind sie bei Spaziergängen. Nur Kramer und sein Fotoapparat waren unterwegs.

„Einsamkeit wird immer noch stigmatisiert“, sagt Kramer, „besonders unter Männern.“ Viele könnten sich nicht öffnen, nicht über die eigenen Gefühle reden. „Soziale Kontakte werden in unserer Gesellschaft immer als eine Art Wertanlage gesehen“. Fielen sie weg oder funktionierten nicht richtig, denken viele, etwas laufe falsch, so sein Eindruck.

Schicksalsschläge im vergangenen Jahr führten zur Einsamkeit

Im vergangenen Jahr sei ihm das besonders bewusst geworden, als er eine Trennung verarbeiten musste, ein Verkehrsunfall ihn ins Krankenhaus brachte und berufliche Probleme in seinem Kopf herumschwirrten. Er sehnte sich nach einer helfenden Hand, einer, die ihn aus seinen Gedanken befreien konnte. „Bis ich merkte, dass ich das nur selbst schaffen kann“, sagt der Fotograf. Geholfen hat ihm auch die Ausstellung.

Und mit seiner Einsamkeit ist Kramer nicht allein. Das zeigt auch eine nicht-repräsentative Umfrage in dem Klamottenladen, wo die Ausstellung seit einigen Wochen zu sehen ist. „Hast du dich schonmal in einer Gruppe einsam gefühlt?“ wird auf einem Zettel gefragt. Während die Bügelflasche mit der Aufschrift „Ja“ zu mehr als der Hälfte mit kleinen Holzperlen gefüllt ist, ist bei der Flasche, auf der „Nein“ steht, nicht einmal der Boden bedeckt.

„Einsamkeit heißt nicht unbedingt allein sein“

„Einsamkeit wird immer noch stigmatisiert“, sagt Tim Kramer, „besonders unter Männern.“
„Einsamkeit wird immer noch stigmatisiert“, sagt Tim Kramer, „besonders unter Männern.“ © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Von außen ist nicht zu sehen, was sich hinter den Schaufenstern verbirgt und selbst im Laden fällt zunächst nicht so wirklich auf, dass hier gerade nicht nur Pullover verkauft werden. Da ist der Hauptmann der Bochumer Maischützen im vorderen Teil des Ladens, der allein vor der Hausfassade steht, ein Pärchen, das im Nebel an der Ruhr-Uni spaziert und der Kapitän des VfL Bochum, Anthony Losilla, der sich nach dem emotionalen 1:1 der Vorsaison bei Hertha BSC mit auf das Geländer der Rolltreppe im Berliner Olympiastadion legt, nachdem er kurz zuvor noch mit tausenden Fans gefeiert hatte.

„Einsamkeit heißt nicht unbedingt allein sein“, sagt Tim Kramer und zeigt auf das Foto des mit Menschen gefluteten Ruhrstadions nach dem geschafften Klassenerhalt. „Bestimmt gab es selbst da noch Leute, die sich in diesem Moment einsam gefühlt haben“, mutmaßt er.

Gespräche über Einsamkeit

Kramer selbst sagt, er habe gelernt, sich die Einsamkeit bewusst zu machen und teilweise auch zu akzeptieren. Er geht jetzt manchmal allein ins Café oder ins Kino, auch Konzerte hat er sich mittlerweile schon ohne Freunde angeschaut. „Das hätte ich früher nicht gemacht“, sagt der 36-Jährige. Ihm tue das gut. In Gesprächen mit Freunden und Bekannten und Besuchern der Ausstellung habe er gemerkt, dass es anderen Menschen ähnlich gehe.

Und die Fotoausstellung ist nicht das einzige Projekt des Fotografen, das sich der Einsamkeit widmet. Gemeinsam mit zwei Kolleginnen hat Tim Kramer „Eigen“ ins Leben gerufen. Dabei möchte das Team mit Bochumern reden, über das Leben in der Stadt, aber eben auch Einsamkeit und den Umgang damit. „Vielleicht können wir dazu beitragen, dass ein Austausch stattfindet über Themen, die wir sonst eher nicht ansprechen“. Dazu haben die drei bereits einige Interviews auf Instagram veröffentlicht.

Die Kanzlerin der Ruhr-Uni spricht darin über Entscheidungen und Zufälle, Krankenschwester Uschi über den Tod und den harten Alltag auf Station und Boxer Agit über das Loch, in das er nach seinem abgesagten WM-Kampf gefallen ist. „Wir wollen dem Ganzen aber gar keinen permanenten melancholisch-depressiven Touch verteilen“, sagt Kramer. Vielmehr gehe es darum, den jeweiligen Menschen kennenzulernen, dass die manchmal einsam sein können, spiele dann nebenbei eben auch eine Rolle.

Einsam und doch zusammen?

In seiner Ausstellung hat Tim Kramer sich sein Leitmotiv ausgeguckt. Halb versteckt hängt es im hinteren Teil des Ladens, direkt neben dem großen Spiegel vor den Umkleiden. Darauf zu sehen ein Kind, das mit seinem Laufrad allein vor einer Treppe auf dem Unicampus steht. Ein in dem Moment kaum zu überwindendes Hindernis. „Kurz danach kam jemand und hat dem Kind die Rampe direkt neben der Treppe gezeigt.“ Für Kramer zeigt das Foto die zwei Seiten der Einsamkeit. Sich selbst mit dem Problem auseinandersetzen, aber auch den Austausch mit anderen suchen und vielleicht gemeinsam Lösungen finden.

Ausstellung läuft bis zum 2. September

Noch bis zum 2. September ist die Ausstellung „Einsam Gemeinsam“ im Rupt’hem Store auf der Rechener Straße 2a zu sehen. Zu sehen sind die Bilder Montag bis Samstag während der Öffnungszeiten zwischen 10.30 Uhr und 19 Uhr.

Das Projekt Eigen findet im Internet unter eigenbochum.de und bei Instagram statt. Drei Interviews sind bereits veröffentlicht, weitere sollen in den kommenden Monaten folgen.