Ehrenfeld. Nach fast drei Jahren Bauzeit ist die innerstädtische Hattinger Straße wieder frei. Ein modernes Bauwerk. Es gibt aber auch kritische Stimmen.
Eine der größten Straßenbaustellen der vergangenen Jahre in Bochum ist beendet. Die Hattinger Straße zwischen Königsallee und Bessemerstraße ist seit Freitag in beiden Richtungen frei, nachdem der Verkehr monatelang nur stadteinwärts floss. Die Reaktionen der Anwohner auf die neue Straße sind aber sehr unterschiedlich.
Stadtbaurat Markus Bradtke weiß dies. Bei der Eröffnung prognostizierte er aber: „Irgendwann, nach zwei, drei Monaten, sind die Leute zufrieden.“
Bochumer Stadtbaurat: „ein ausgesprochen engagiertes Bauwerk“
Die neue Straße nannte er ein „ausgesprochen engagiertes Bauwerk“. Vor allem wegen Klimaschutz und mehr Sicherheit für Radfahrende.
Der komplette Straßenquerschnitt ist neu: Vorher war die Straße in der Mitte leicht nach oben gewölbt, so dass das Regenwasser seitlich in Kanälen abfloss und in einer Kläranlage gereinigt werden musste. Jetzt ist das Gefälle genau umgekehrt: Die Straßenoberfläche hat den tiefsten Punkt in der Mitte, so dass dort das Regenwasser abfließt.
Die Stadt hat in der Fahrbahnmitte ein unterirdisches Rigolen-Mulden-System gebaut, in das das Regenwasser langsam und kontrolliert in den Marbach mündet oder ins Grundwasser sickert. Die erhofften Vorteile: Sauberer Abfluss ohne Kläranlage, Schutz vor Überschwemmungen, und durch das längere Zurückhalten von Wasser entsteht eine so genannte Verdunstungskälte, was vor allem in Hitzephasen hilfreich ist.
Der Kraftverkehr fließt jetzt nur noch auf einer statt bisher zwei Spuren je Richtung. Stattdessen steht Radfahrenden ein 1,85 Meter breiter Radweg je Richtung zur Verfügung, insgesamt 1,8 Kilometer. Zwischen Bessemer Straße und Königsallee ist dieser Radweg durch einen besonderen, vom Tiefbauamt extra entwickelten Trennstein von der Autofahrbahn abgegrenzt. Eine kleine Kante soll Autofahrer sofort darauf aufmerksam, wenn sie auf den Radweg geraten. Tiefbauamtsleiterin Susanne Düwel: „Das hat den Vorteil: Der Trennstein ist überfahrbar, bietet aber trotzdem Schutz.“
Radfahrende sind zwischen Parkstreifen und fahrenden Autos unterwegs
Kosten belaufen sich auf rund neun Millionen Euro
Die Baustelle hat insgesamt rund neun Millionen Euro gekostet, zwei bis drei Millionen mehr als ursprünglich geplant.
Das Land NRW hat 65 Prozent beigesteuert, Gelder aus dem Förderprogramm Straßenbau.
Jeweils rechts von den Radwegen sind Stellplätze eingerichtet, so dass Radfahrer zwischen dem ruhenden und fahrenden Verkehr unterwegs sind. Insgesamt gibt es weniger Parkplätze als vor der Baustelle, zumal auch alte Gleise in der Fahrbahnmitte weg sind; auch sie hatten (unerlaubt) als Parkraum gedient.
Außerdem stehen 19 neue Bäume am Straßenrand. Unter ihnen wurden Baumrigolen gebaut, die ihre Bewässerung sicherstellen sollen. Die Bepflanzung des Rigolen-Mulden-Systems in der Fahrbahnmitte soll erst in der nächsten Pflanzperiode im Herbst erfolgen – mit Stauden.
Verzögerung der Fertigstellung um zehn Monate
Insgesamt dauerte die Baustelle fast drei Jahre; der neue Bereich zwischen Bessemer- und Hüttenstraße wurde bereits 2022 fertiggestellt.
Ursprünglich sollten die Bauarbeiten schon vor zehn Monaten fertig sein. Unter anderem unvorhersehbare Leitungsfunde hatten den Zeitplan verzögert.
Die lange Dauer und Intensität der Baustelle, der Lärm, die Enge, die Abgase waren eine große Belastung für alle Anlieger. Metzgermeister Jörg Haarmann beklagt auch, dass die Anlieger am Anfang nicht in die Planungen mit einbezogen worden seien, auch wenn sich dies später gebessert habe. Gut die Hälfte seiner Kundschaft sei in der Bauphase ausgeblieben. Die Parkplatzsituation für die Geschäftsleute sei nun schlechter als vorher. Haarmann fragt sich auch, ob künftig Rettungs-und Müllfahrzeuge gut und sicher durchkommen.
Michael Teupen, Inhaber des Fahrradgeschäfts „E-Motion – E-Bike-Welt“, begrüßt, dass man nun eine moderne Straße mit Perspektive habe: breite Radwege und mehr Gleichberechtigung des Radverkehrs gegenüber dem Kraftverkehr. Verpasst worden sei aber, genug Haltemöglichkeiten für den Lieferverkehr einzurichten, „eine logistische Katastrophe“.