Bochum. Das Thema Hirnschäden ist Alltag am Neuropsychologischen Therapie Centrum an der Ruhr-Uni Bochum. Mit welchen Fällen sie dort zu tun haben.

Wie sehr eine Hirnschädigung das Leben verändern kann, weiß Björn Wiesemann. Deshalb ist er Patient von Prof. Boris Suchan und Prof. Patrizia Thoma an der Ruhr-Universität Bochum. Beide sind Leiter des dortigen Neuropsychologischen Therapie Centrums (NTC) und haben schon viele solcher Fälle behandelt.

Björn Wiesemann sucht Hilfe an der Ruhr-Universität Bochum

Einer ihrer Patienten ist Björn Wiesemann. Seit 2019 leidet der 54-Jährige an einer autoimmun vermittelten Störung des zentralen Nervensystems. Während anfangs motorische Probleme im Vordergrund standen, wurde später deutlich, dass sich auch seine Aufmerksamkeitsleistungen und vor allem seine Reiz-Toleranz verändert haben. So kann Wiesemann nicht lange gewissen Situationen ausgesetzt sein, dass seine Konzentration rapide nachlässt und er eine Pause braucht. Große Menschenmassen oder hektische Orte vermeidet er. „Es fühlt sich manchmal so an, als würden unzählige kleine Ameisen unter meiner gesamten Kopfhaut herumkrabbeln“, beschreibt der ehemalige Journalist, der seit seiner Diagnose auch nicht mehr arbeiten kann. „Manchmal ist es so stark, dass ich dann nicht mal mehr schlafen kann.“

Björn Wiesemann (54) ist Patient des Neuropsychologischen Therapie Centrums an der Ruhr-Universität Bochum
Björn Wiesemann (54) ist Patient des Neuropsychologischen Therapie Centrums an der Ruhr-Universität Bochum © WAZ Bochum | Alexander Luca Alan

Für ihn sei die Erkrankung eine massive Umstellung gewesen. „Wie ein Fallbeil“, dass ihn aus seinem gewohnten Leben gerissen hat. „Ich musste lernen, die neue Situation akzeptieren zu können.“ Nachdem er schlecht zu hören begann und auch ohnmächtig wurde, ließ er sich untersuchen. Mehrere Monate lag er dann im St.-Josef-Hospital in Bochum. „Dort hat man alles versucht und mich nach Abschluss der stationären Behandlung an das NTC an der RUB überwiesen“, sagt Wiesemann. Seither ist er dort mit Unterbrechungen gerade wegen der Veränderungen seiner Leistungsfähigkeit in Behandlung.

Nur selten wird alles „so wie vorher“

Die Patienten wollen dann nachvollziehbar schnell eine Prognose bezüglich der Heilungsaussichten, die es aber nicht gebe. „Einige Patienten kommen von ihren Ärzten zu uns und hoffen, dass wieder alles ganz genauso wie vorher werden würde, aber das geht oft nicht. Wir helfen dann dabei, die geistige Leistungsfähigkeit so weit wie möglich zu verbessern, aber auch ihre neue Lebenssituation mit ihren Einschränkungen zu akzeptieren“, erläutert die 43-Jährige.

„Neuropsychologische Psychotherapie“ an der RUB

Im Neuropsychologische Therapie Centrum (NTC) an der Ruhr-Universität Bochum behandeln Prof. Boris Suchan, Prof. Patrizia Thoma und ihr Team die kognitiven und psychischen Folgen von erworbene Hirnerkrankungen und Verletzungen. Ihr Arbeitsfeld ist die „Neuropsychologische Psychotherapie“, die sich zwischen klassischer Neurologie und Psychologie einreiht.

Dabei geht es um die Behandlung von Folgeschäden aus Schlaganfällen, Verkehrsunfällen oder auch entzündlichen Hirnerkrankungen, als auch die Begleitung auf psychologischer Ebene. Weitere Informationen gibt es unter www.np-ambulanz.de

RUB-Professoren: „Hirnschäden können alle treffen“

Betroffen von solchen Schäden sind aber nicht immer nur Erwachsene. „Alle Altersgruppen können betroffen sein, Jung und Alt zugleich“, erklärt Patrizia Thoma. Zwar verbinde man beispielsweise Schlaganfälle nicht mit Kindern, doch gebe es diese dort auch. Laut Thoma können diese sogar schon im Mutterleib auftreten.

Boris Suchan verweist darauf, wie individuell die Folgen bei jedem Patienten seien können. Deswegen unterscheidet sich die Behandlung immer.
Boris Suchan verweist darauf, wie individuell die Folgen bei jedem Patienten seien können. Deswegen unterscheidet sich die Behandlung immer. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Das Verarbeiten von gewissen Schicksalen ist auch für Thoma und Suchan nicht immer leicht. „Es gibt einzelne Geschichten, gerade bei Kindern, die einem schon nahe gehen“, so Thoma. Gerade wenn Patienten versterben, sei das besonders hart. Dem kann Suchan nur beipflichten, da er und auch seine Kollegin beide selbst Familie und Kinder haben. Trotzdem würden sie immer die professionelle Distanz wahren, um ihrer Arbeit auch nachgehen zu können.