Bochum. Eigentümer älterer Häuser fürchten hohe Kosten für neue Heizung und energetische Sanierung. Innungsmeister aus Bochum: Kunden sind verunsichert.

Eigentlich fühlen sich die Gerbers (Name von der Redaktion geändert) in ihrem Sprengel wohl. Das kleine Häuschen in Bochum-Langendreer ist ihr Zuhause. Und doch denken sie an einen Verkauf der Immobilie. Sie fürchten, die drohende Umrüstung ihrer Heizung könnte sie in den Ruin treiben.

Was tun mit der alten Heizung? Hausbesitzer schläft nicht mehr gut

„Ich schlafe schon lange nicht mehr gut“, sagt Rainer Gerber. Seit die Pläne der Bundesregierung konkret geworden sind, dass von 2024 an nur noch klimafreundliche Heizungen verbaut werden sollen, fragt er sich, wie das in ihrem Haus gehen soll. Die alte Gasheizung tut es zwar noch und wird vom Hausherrn sorgsam gehegt und gepflegt, wie er sagt. Aber darauf verlassen, dass sie noch viele Jahre einwandfrei funktioniert, kann und will er sich nicht.

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Was also tun? Schnell noch eine neue Heizung einbauen lassen? „Wenn das überhaupt noch möglich ist, angesichts der angeblich großen Nachfrage“, so Rainer Gerber. Oder eine neue Heizung kaufen, die mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden soll

Allein eine Wärmepumpe kostet etwa 35.000 Euro

Viele Gespräche hat der Hauseigentümer in den vergangenen Wochen dazu geführt, hat sich von einem befreundeten Architekten beraten lassen und mit einem Installateur gesprochen. Auch bei der Grünen-Fraktion im Rat habe er nachgefragt, schließlich hat der grüne Wirtschaftsminister das neue Gesetz zu verantworten. „Von denen kam nur ein irrwitziger Vorschlag“, sagt er beinahe resignierend.

So viel habe er mittlerweile erfahren. Wenn er eine moderne Heizung einbauen lassen will, dann ist es damit nicht getan. Vielmehr müsse das gesamte Haus energetisch saniert werden. Und das würde Zehntausende Euro verschlingen. Grob überschlagen, so die Experten, würde ihn eine kombinierte Gas-/Wärmepumpenlösung 35.000 Euro kosten, die Isolierung des Hauses weitere 80.000 Euro.

Gebäudemodernisierung kann schnell sechsstellige Kosten verursachen

Geld, das die Gerbers nicht haben. Und das ihnen die Banken angesichts ihres Alters womöglich auch gar nicht mehr als Kredit zur Verfügung stellen.

Es würde womöglich auch nicht einmal reichen. „Mit dem Kauf einer Wärmepumpe zu derzeitigen Preisen zwischen 20.000 und 40.000 Euro ist es meist nicht getan. Wärmepumpen arbeiten dann effektiv, wenn man keine hohen Vorlauftemperaturen für die Heizung benötigt. Das ist nur in sanierten, gut gedämmten Altbauten möglich“, sagt der Oberhausener Architekt Wilhelm Hausmann. Für die meisten Häuser in seiner Stadt seien die Wärmepumpen deshalb nicht ideal, sonst müsste man zu viel Geld für Strom bezahlen. „Eine energetische Sanierung ist meist nötig, bei der man Dach, Fassade und Keller dämmen, die Fenster austauschen und Lüftungsanlagen einbauen muss – man ist dann schnell bei 150.000 bis 200.000 Euro Sanierungskosten pro Ein- und Zweifamilienhaus.“

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Innungsmeister sagt, Gebäude könnten später gedämmt werden

Da kann einem schon der Atem stocken. Auch Albert Landsberger, Obermeister der Innung für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Bochum, und andere hiesige Installateurbetriebe wissen um die Ängste von Hausbesitzern. „Wir stellen auch immer wieder fest, dass die Leute total verängstigt sind und gar nicht mehr wissen, ob sie mit der ganzen Situation im nächsten Jahr überfordert sind“, so Landsberger. Derzeit würden noch „wahnsinnig viele Heizwertgeräte verkauft“. Dabei sei es aus seiner Sicht besser, eher die Heizungstechnologie umzustellen, selbst wenn ein Gebäude nicht optimal gedämmt ist. „Das kann man auch später machen.“

So sehr der Innungsmeister die ökologische Wende auch unterstützt, so sehr rät er dem Gesetzgeber, realistisch zu bleiben, und den Kunden, im Zweifelsfall erst einmal abzuwarten. „Ich glaube nicht, dass das Gesetz, so wie jetzt die Vorlage da ist, Bestand haben kann. Das wird sich sicherlich noch ändern.“

Mit 750 Fachkräften sind Bochums Heizungen kurzfristig nicht umzurüsten

Wärmepumpen könnten das Heizungsproblem lösen. Allerdings: Je mehr davon in Betrieb genommen werden, desto stärker ist das Stromnetz belastet.
Wärmepumpen könnten das Heizungsproblem lösen. Allerdings: Je mehr davon in Betrieb genommen werden, desto stärker ist das Stromnetz belastet. © dpa | Silas Stein

Und: „Man muss sich doch auch mal fragen, wozu wir in der Lage sind.“ Es gebe in Bochum 140 Installateurbetriebe mit durchschnittlich knapp fünf Beschäftigten. Maximal also 750 Fachkräfte. Mindestens drei Mitarbeiter seien eine Woche lang mit der Umrüstung einer Heizung beschäftigt. Bei maximal 250 Teams werde die Umrüstung allein in Bochum lange dauern. Bedacht werden müsse auch, dass das Stromnetz den wachsenden Einsatz von Wärmepumpen, von Ladestationen für E-Autos und anderen Anforderungen gar nicht verkrafte, wenn es nicht ertüchtigt werde. Der Innungsmeister ist überzeugt: „Wir werden in den nächsten 25, 30 Jahren sicherlich immer noch mit fossilen Brennstoffen arbeiten müssen, weil es sonst gar nicht anders geht.“

Sparkasse Bochum erwartet steigende Nachfrage nach Krediten

Dass, wie kolportiert, Eigentümer verstärkt über den Verkauf ihrer Immobilie nachdenken, kann die Sparkasse Bochum nicht bestätigen. „Es konnten in den vergangenen Monaten weder größere Veränderungen der Nachfrage nach Krediten für Heizungsmodernisierungen noch eine steigende Anzahl der über den S-Immobiliendienst zum Verkauf stehenden Immobilien festgestellt werden“, heißt es.

Allerdings sei zu erwarten, „dass wegen Nachrüst- und Austauschpflichten von Heizungsanlagen in Kombination mit dem finanziellen Anreiz der Förderung zukünftig vermehrt Kredite für die Modernisierung von Heizungsanlagen angefragt werden“.

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LBS-Gebietsleiterin rät: „Aussitzen“

Auch die LBS Bochum hat bislang noch kein erhöhtes Verkaufsinteresse wegen der Heizungsproblematik festgestellt. Üblich sei es, so Gebietsleiterin Bernadetta Brandenburg, dass einige Eigentümer im fortgeschrittenen Alter grundsätzlich über einen Verkauf nachdenken. Sie rät Immobilienbesitzern, die unsicher sind, wie sie sich am besten verhalten sollen: „Aussitzen.“ Das habe sich in der Vergangenheit, etwa beim Thema Kanalsanierung, als beste Reaktion erwiesen.