Bochum. Die Freude über den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst war am Tag der Arbeit in Bochum spürbar. Der Kampf aber müsse weitergehen, hieß es.

Kurz irritiert schaute Oberbürgermeister Thomas Eiskirch nach links, als sich Edyta Wystub von der DGB-Jugend mit dem Plakat zur Forderung eines Tarifvertrags für studentisch Beschäftigte (TVStud) bei einem offiziellen Foto direkt neben ihn und die Gewerkschaftsvertreter postierte. "Sollen wir mal so dreist sein und drei Schritte nach rechts gehen, um mit auf das Bild zu kommen", hatte die 30-Jährige Studentin ihren Mitstreitern vorgeschlagen. Warum nicht, schließlich ging es am Tag der Arbeit um die Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft, zu der junge, ältere und viele unterbezahlte Menschen gehören.
Traditionell hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am 1. Mai zu Kundgebung, Demonstration und Familienfest aufgerufen. Über tausend Menschen versammelten sich unter dem Motto "Ungebrochen solidarisch!" vor dem Bochumer Rathaus und kamen dank Verdi-Gewerkschaftssekretär Azad Tarhan in Stimmung. "Hoch die Fahnen, dafür sind sie da!", rief er in die Menge und verbreitete positive Energie und Gemeinschaftsgefühl.

35 beteiligte Organisationen feiern Solidarität und den Kampf für Gerechtigkeit und Frieden

Anschließend eröffnete Serdar Yüksel, SPD-Landtagsabgeordneter und Vorstand der Arbeiterwohlfahrt Ruhr-Mitte, die Kundgebung. "Der Abschluss im öffentlichen Dienst macht uns Hoffnung auf spürbare Entlastungen im Alltag", sagte er. Die Freude über die Tarifeinigung im April, die etwa 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst und in den Kommunen zu Gute kommt, war überall spürbar. Doch der Einsatz für die Arbeitnehmer gehe weiter. Es gebe zu viele Menschen, die von ihrer Arbeit nicht leben können, zu viele Arbeitnehmer in unsicheren und prekären Beschäftigungsverhältnissen, was etwa mit der unsicheren Refinanzierung sozialer Einrichtungen zusammenhänge, so Yüksel weiter.

Die folgende Demonstration durch die Bochumer Innenstadt über den Boulevard, vorbei am Hauptbahnhof über Ost- und Nordring führte vor das Deutsche Bergbaumuseum. Dort versammelten sich insgesamt 35 Organisationen, darunter Gewerkschaften, Vereine und Verbände, die Informationen, Spiele und Leckereien für die Besucher bereithielten.

Wenige Ausbildungsbetriebe in Deutschland und Vier-Tage-Woche sind aktuelle Streitthemen der Gewerkschaften

Nach Eintreffen der Demonstration und eines DGB-Fahrradkorsos eröffnete DGB-Vorsitzende Bettina Gantenberg die dortige Kundgebung und übergab Oberbürgermeister Thomas Eiskirch das Wort. Er forderte einen "neuen Generationenpakt" und betonte in puncto Personalmangel und der steigenden Arbeitslast für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: "Tarifbindung und starke Mitbestimmung sind wichtige Stellschrauben für diese Probleme", so Eiskirch.
Weiter sprachen Bernd Dreisbusch, Verdi-Geschäftsführer Mittleres Ruhrgebiet. "Wir haben klargemacht: Wir lassen uns nicht in Beugehaft nehmen für eine verfehlte Finanzplanung der Kommunen", sagte er zum geglückten Tarifabschluss.

Ulrike Hölter, 1. Bevollmächtigte der IG Metall Ruhrgebiet, schlug kämpferische Töne an in Hinblick auf die Vier-Tage-Woche, die für die Stahlbranche durchgesetzt werden soll. Dennis Huy von der DGB-Gewerkschaftsjugend appellierte an die Unternehmen, die Ausbildung junger Menschen als ihre Aufgabe zu begreifen. Nur etwa 20 Prozent der Betriebe bildeten überhaupt aus, so Huy. "Wir brauchen eine Garantie auf einen Ausbildungsplatz, mehr als 2,3 Millionen Menschen in Deutschland sind ohne Berufsabschluss. Das können wir so nicht hinnehmen!", führte er aus.

Mehrere tausend Menschen besuchen DGB-Familienfest zur Kundgebung am 1. Mai – Polizei meldet keine Zwischenfälle

Ralf Brüggemann, Polizeiführer für die Demo-Lage und für den Schutz der Veranstaltung, schätzte, dass bis zum Ende der Veranstaltung um 15 Uhr circa 3000 Menschen das DGB-Familienfest besucht haben werden. Er meldete während der Demonstration keine besonderen Vorfälle.