Bochum-Stahlhausen. Auf der Baarestraße in Bochum wird für einen Tag der öffentliche Raum anders verteilt. Autos bleiben draußen - und die Nachbarn genießen das.
Die Bewährungsprobe läuft eine Viertelstunde vor dem eigentlichen Termin. Um 14 Uhr soll die Baarestraße in Bochum für den Kfz-Verkehr absolut tabu sein, 15 Minuten vorher ist Haupt-Abholzeit für die Kids in der Kita „Villa Pfiffikus“ – und alle sind zu Fuß unterwegs, wie abgesprochen. Dann geht er los, der autofreie Nachmittag im Westend.
Bochum: Das Westend probt eine autofreie Nachbarschaft
Das haben sie tatsächlich seit vier Tagen in der Nachbarschaft getan, die Aktiven vom Jugendtreff „Kitt5ive“, dem Karateverein Budokan, Volkshochschule, Stadtteilzentrum Q1 und eben in der Kindervilla, um für die Aktion zu werben. Die Kinder waren aus dem Häuschen, als das Signal kam, dass die Baarestraße einen Tag zwischen Helenenstraße und Jacob-Mayer-Straße völlig frei von Autos sein sollte, statt auf beiden Seiten dicht beparkt.
„Denn wir haben hier ein Parkproblem“, räumt Koordinatorin Dorte Huneke-Nollmann ein, „aber wir haben eben auch den VHS-Parkplatz für unsere Besucher.“ Dort könnte man auch parken.
Den Weg dahin haben die Kinder vorab für die Eltern extra markiert. Tapsen wie von Pfoten mit Sprühkreide auf dem Weg zeigen die (fußläufige) Verbindung. Tatsächlich haben die Nachbarschafts-Posten an den Sperrbaken mitten über die Straße ab 14 Uhr Ruhe, kaum noch ein Autofahrer versucht es.
Direkt vor dem Q 1 kein Durchkommen
„Wenn Du hundertmal hörst: Ich wollte doch nur eben kurz, dann kannst Du es nicht mehr hören“, erklärt Huneke-Nollmann, warum direkt vor dem Q 1, der früheren Friedenskirche, der Gehweg immer wieder für Mütter mit Kinderwagen oder Seniorinnen mit Rollatoren fast unpassierbar wird. Und warum mit der Zeit der Frust wächst.
Auch die drei Damen, die ins Q 1 zur Frauengruppe wollen, kommen heute bequem mit ihren Rollatoren durch. Sie genießen den Platz ebenso wie die Kinder, die sich nach und nach zum Straßen-Fest im doppelten Sinn mitten auf dem Pflaster treffen können.
Freie Fahrt mit dem Rollator – endlich mal
Die Idee entstand bei einer früheren Aktion, als mehr „Fest“ als „Straße“ im Blickpunkt bei einem bunten Kinder-Fahrradrennen stand.
„Die Nachbarn wussten alle Bescheid und haben alle mitgemacht“, erzählt Huneke-Nollmann von der Vorbereitung und zeigt auf einen Smart auf dem Gehweg. „Die wussten sogar, dass der Halter im Urlaub ist und der Wagen deshalb jetzt nicht weggefahren werden kann.“ So ist er kurzerhand mit Flatterband gekennzeichnet und hat einen Erklärungszettel an der Scheibe.
Aber das Ausschildern hat, gerade bei offenbar auswärtigen Besuchern, nicht allein geholfen. Das Ordnungsamt habe kräftig abschleppen lassen, berichten die Initiatoren, aber ebenso hätte auch eine freundliche Ansprache oft gereicht, um das Straßenstück für diesen Tag frei zu halten.
Auf dem Tretroller in neuer Balance
Eigene Tretroller hatte für diesen „Mobilitätstag“ die „Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer“ bereit gestellt, und vor allem Frauen zeigten, was das Balance-Training im Westend schon bewirkt hat. „Wir haben schon einigen aufs Fahrrad geholfen“, meint Hunke-Nollmann lächelnd.
Christoph Bast, der „Mobilmacher“ rund um alles mit zwei Räder im Westend, stellt fest: „Im Alltag ist die Straße vollkommen zugeparkt und alle anderen Verkehrsteilnehmer haben das Nachsehen.“ Mit Fahrrad-Schnecken-Rennen, Lastenrad-Training, Inliner, Straßenfußball und Bobbycar-Parcours zeigten sie, wie es auch ganz anders gehen kann.