Bochum. Zwei Tage lang wurde im Tierpark Bochum ein Mittelalterfest gefeiert. Die Besucher verkleideten sich und tauchten tief in die Vergangenheit ein.

Jonathan (6) kneift die Augen zusammen, Schweiß läuft ihm von der Stirn. Er zieht das Visier seines Helmes herunter, nimmt das Ziel fest in den Blick und galoppiert los. Sein Schwert zeigt genau auf das gegnerische Holzschild, er ist nur noch wenige Meter entfernt. Zack! Ein Treffer genau ins Schwarze. Der Sandsack an der anderen Seite der Anlage zappelt wild in der Luft, Jonathan triumphiert.

Schon machen sich die nächsten Knappen bereit – Luisa und Josi stehen in den Startlöchern. Als die beiden Mädchen ebenfalls mit einer Lanze zielgenau treffen, grölt und applaudiert das Publikum. Aber nanu, was ist denn das? Ein Katta-Affe streckt neugierig seinen Kopf um die Ecke.

Besucher des Tierparks Bochum trugen lange Gewänder, Schwerter und Felle

Besucher sind die Tiere im Bochumer Tierpark gewohnt. Aber solche? Viele tragen lange Gewänder, manche haben sogar Schwerter und Felle dabei.

Wer am Wochenende (13./14.) in mittelalterlicher Kluft zum Fest im Tierpark kam, der wurde mit einem Rabatt an der Kasse dafür belohnt. Einer von ihnen ist „Udalrich“. Zumindest ist das der Name, den er seiner Rollenfigur gibt. Um seinen Hals baumelt eine Kette mit einem Wildschwein-Zahn, er trägt eine Tasche mit Dachsfell und einem Rehgeweih. „Ich bin durch Freunde auf die Idee gekommen, das Mittelalterfest zu besuchen“, sagt der gebürtige Dortmunder.

Viele der Tiere hätte man im Mittelalter so auf einem Fleck sicherlich nicht angetroffen. „Da lebte man mit Ziegen, Schweinen und Kühen zusammen, aber nicht mit Flamingos“, sagt Udalrich und lacht.

Kulinarische Spezialitäten wie Käsespätzle, Gezupftes vom Schwein und grobe Bratwurst

Eine als Fabelwesen auf Stelzen laufende Frau beim Mittelalterfest im Tierpark Bochum.
Eine als Fabelwesen auf Stelzen laufende Frau beim Mittelalterfest im Tierpark Bochum. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Das zweitägige Mittelalterfest im Tierpark wurde bereits 2019 veranstaltet. Nach Corona-Pause gab es nun eine Neuauflage. „Ich musste allerdings feststellen, dass das Fest eigentlich nur etwas für Kinder ist“, sagt Sarah Holttorf. Gut, dass es dann immerhin noch die Tiere zu beobachten gab und kulinarische Spezialitäten wie Käsespätzle, Gezupftes vom Schwein und grobe Bratwurst geboten wurden.

Auch sie hat ein mittelalterliches Gewand aus dem Kleiderschrank geholt. Sobald sie es trägt, wird aus Sarah „Ava“. „Ich mache seit einiger Zeit Live-Rollenspiele“, erklärt die Bochumerin. Ihr gefielen nicht nur die Gewandungen, sondern auch die Sprachweisen. „Anstatt ,Hallo’ sagt man zum Beispiel ,Seid gegrüßt’.“

Indianer, Cowboys und Wikinger sind genauso „cool“ wie Ritter

Vielleicht ließen sich am Wochenende auf diese Weise auch kleine Fans für das Mittelalter dazugewinnen. „Wir haben schon einen Anhänger aus Ton gebastelt und Jonathan durfte einen echten Helm aufsetzen“, erzählt Mutter Judith Schober. Warum bei ihrem Sohn gerade Ritter so hoch im Kurs seien und nicht etwa Indianer, Wikinger oder Cowboys? „Ich glaube, weil die nicht so gekämpft haben, wie...“, setzt Mutter Schober gerade an, da korrigiert Jonathan lachend: „Stimmt gar nicht, die sind alle cool.“

Am Bochumer Bismarckturm wurde Seife hergestellt

Rund um den Bismarckturm hatten die meisten Stände ihr Lager aufgeschlagen: Dabei konnte man Seife selbst herstellen, Bogenschießen und Gaukler beobachten. Einer von ihnen brachte ganze Reihen an Kindern zum Staunen: Erst spielte er Diabolo und schleuderte das Spielgerät glatt 15 Meter in die Höhe, dann jonglierte er mit Feuerfackeln. „Boah!“ rief ein Kind in der ersten Reihe.

Tiere wurden als Verbrecher angeklagt

Auch tierische Fakten konnte man über das Mittelalter lernen: Etwa, dass man im Mittelalter an blaue Tiger und pelzige Krokodile glaubte und die Redensart von Krokodilstränen aus dieser Zeit stammt.

Im Mittelalter wurden Tiere als Verbrecher angeklagt und verurteilt in Haft genommen. Ab dem 13. Jahrhundert kam es in Deutschland zu Tierprozessen - etwa gegen Heuschrecken.

Zoos wurden erstmals im 19. Jahrhundert gegründet, die sich auch als Stätten der Erholung und der naturkundlichen Volksbildung verstanden. Der erste Zoo dieser Generation entstand in London 1828. Dort wurde die Sammlung von Tieren für wissenschaftliche Studien eröffnet und nannte sich erstmals „Zoologischer Garten“.

Den nahe gelegenen Seerobben und Pinguinen war das Spektakel sichtlich gleichgültig. Wem die Darbietung als Mensch zu aufregend war, der konnte am Stand von Anja und Maik Müller zuschauen, wie Wolle im Mittelalter eingefärbt wurde. „Wir verwenden Rezepte aus dem 14. Jahrhundert“, sagte Maik Müller. Neben Indigo und Färberpflanzen kommen dabei zum Beispiel auch rote Zwiebelschalen zum Einsatz.

Dabei konnte Anja Müller direkt mit einem Vorurteil aufräumen: „In Filmen wird das Mittelalter oft in ganz dunklen Farben gezeigt, aber es ging viel bunter zu als in unserer Vorstellung“, sagt sie und zeigt die bunte Farbenpracht an ihrem Stand.