Bochum. Live in London: Eine Bochumer Familie besuchte das Frauen-EM-Finale im Wembley-Stadion. Zufall und Glück bescherten ein „Wahnsinns-Erlebnis“.
Es war Anfang des Jahres, als sich Werner Wiegand dachte: Es wird mal wieder Zeit für London. Zeit für eine Städtetour mit den Liebsten zu Big Ben, Buckingham Palace und Piccadilly Circus. Was damals niemand ahnte: dass die Bochumer am Sonntagabend zu den 87.192 Besuchern gehörten, die im ausverkauften Wembley-Stadion das Endspiel der Frauen-Fußball-EM verfolgten. „Und das mit Deutschland!“
EM-Finale hatten die Bochumer beim Buchen nicht auf der Rechnung
Werner Wiegand ist großer Fußballfan, hat den VfL Bochum auch bei ungezählten Auswärtsspielen begleitet. Aber nein, gesteht der 69-Jährige: Die Frauen-Europameisterschaft habe er beim Buchen des viertägigen London-Trips vor einem halben Jahr nicht auf der Rechnung gehabt.
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Erst zu Beginn des Turniers schwant dem Eventmanager: Das Finale fällt just auf den Sonntag, an dem er mit Lebensgefährtin Marie (62), seiner Enkelin Charmaine (14) und Oma Jutta (69) in der englischen Hauptstadt weilt.
Karten auf dem Oberrang in Wembley kosteten 92 Euro
Noch während der EM-Gruppenphase gelingt es Wiegand, vier Karten für das Endspiel zu besorgen. Preis pro Stück: 92 Euro. „Wir hatten wieder Glück: Das waren mit, die letzten Tickets, die es in Deutschland zu kaufen gab.“ Dabei habe er vor allem an Charmaine gedacht. Die Schülerin spielt bei den Fußball-Frauen der DJK Wattenscheid.
Fortan heißt es: vor dem Fernseher ganz fest die Daumen drücken für „Poppi“ und all die anderen großartig kickenden und kämpfenden Nationalspielerinnen. Groß ist der Jubel über den Sieg im Halbfinale am Mittwoch. Jetzt ist klar: Familie Wiegand wird das Team von Trainerin Martina Voss-Tecklenburg vier Tage später live in Wembley anfeuern.
Berührende Gastfreundschaft und irre Stimmung weit vor Anpfiff
Am Samstag trifft das Bochumer Quartett in London ein. Der Sonntag gehört ganz dem Fußball. Beim Telefonat mit der WAZ ist Werner Wiegand noch am Montag aus dem Häuschen. „Unglaublich“ sei bereits das mehrstündige Vorprogramm mit Live-Musik gewesen. „Berührend“ sei die Gastfreundschaft, mit der die deutschen Fans (es waren rund 5000) empfangen wurden.
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„Wahnsinn“ sei die Stimmung im Stadion gewesen. „Ich habe ja beim Fußball schon einiges erlebt, von München über Berlin bis Hamburg. Aber so laut und begeisternd war es nirgendwo.“ Die englischen Fans seien vom Stadionsprecher Stunden vor dem Anpfiff „regelrecht eingepeitscht“ worden. „Jede Spielerin wurde einzeln vorgestellt und von Zehntausenden bejubelt. Das war wie vor TV-Shows, bei denen das Publikum beim Warm-up in Stimmung gebracht wird.“
Beim Ausgleich war es im Stadion plötzlich still
Das Spiel sehen die Bochumer vom Oberrang aus, „beste Sicht, gute Plätze“. Um sie herum sitzen vor allem: Engländer, durchweg in „Football’s coming home“-Euphorie. „Aber anders als in vielen deutschen Stadien wurden wir als Gäste durchweg nett und respektvoll behandelt“, schildert Wiegand. „Es gab bei aller Konkurrenz nicht einen aggressiven Moment. Das gilt auch für den Hin- und Rückweg, bei dem die ,Bobbys’ freundlich Spalier standen, sowie für die reibungslosen Sicherheitskontrollen. Das hat mich sehr beeindruckt. Das wünsche ich mir auch für die Bundesliga.“
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Beim 1:1-Ausgleich durch Lina Magull in der 79. Minute liegen sich die Wiegands in den Armen. „Da war es im Rest des Stadions plötzlich ganz ruhig.“
Am Dienstag geht’s zurück – und am Samstag „anne Castroper“ weiter
Die Enttäuschung über die unglückliche 1:2-Niederlage in der Verlängerung und die Wut über „das unfaire Zeitspiel der Engländerinnen in den letzten Minuten, direkt vor unseren Augen“, sind am Tag danach kaum noch spürbar. „Es war für uns ein Riesenerlebnis“, sagt Werner Wiegand.
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Am Dienstag geht’s zurück. Das nächste Fußball-Highlight steht bevor. Nicht in Wembley, sondern im Schmuckkästchen „anne Castroper“ beim Liga-Auftakt des VfL Bochum gegen Mainz. Eine Städtereise muss Werner Wiegand dafür nicht buchen.