Bochum. Schüler dokumentieren jüdisches Leben in Deutschland: Das ist das Ziel des Dr.-Ruer-Preises. Diese fünf Bochumer Schulen haben gewonnen.

So lange „Du Jude!“ auf Schulhöfen als Schimpfwort gilt, sei man nicht am Ziel, mahnte Thomas Eiskirch zum Auftakt des Festaktes. Der Oberbürgermeister darf gewiss sein: Die Jugendlichen aus sechs Schulen in Bochum und Herne, die am Montagabend in der Neuen Synagoge ausgezeichnet wurden, werden niemals zu diesen Dummköpfen gehören. Mit ihren Lehrerinnen und Lehrern sind sie die Gewinner des Dr.-Otto-Ruer-Preises 2022.

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Schülerinnen und Schüler zu bewegen, sich mit dem jüdischen Glauben, Leben und der deutschen Vergangenheit zu beschäftigen: Dieses Ziel verfolgt der Freundeskreis der Jüdischen Gemeinde mit dem Dr.-Ruer-Preis – benannt nach dem jüdischen Bochumer Oberbürgermeister von 1925 bis 1933, der von den Nazis aus dem Amt gedrängt und in den Tod getrieben wurde. Seit 2014 sind Schulklassen im Gemeindegebiet Bochum, Herne und Hattingen alle zwei Jahre zum Mitmachen aufgerufen. Texte, Reportagen, Videos, Theater, Social Media: Alle Darstellungsformen sind willkommen.

Der Hattinger Bürgermeister Dirk Glaser (li.) gratulierte den Gewinnern des Klaus-Steilmann-Berufskollegs zum 2. Platz.
Der Hattinger Bürgermeister Dirk Glaser (li.) gratulierte den Gewinnern des Klaus-Steilmann-Berufskollegs zum 2. Platz. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Dr.-Ruer-Preis: Rekordbeteiligung mit 340 Schülern

Groß ist die Freude beim Freundeskreis über eine Rekordbeteiligung. 340 Schülerinnen und Schüler aus 17 Schulen bewarben sich mit 19 Projekten. So viele waren es noch nie – trotz der Erschwernisse durch die Corona-Pandemie. „Zutiefst berührt“ hätten ihn die eingereichten Arbeiten, die allesamt ein Zeichen gegen Antisemitismus und Fremdenhass setzten, sagt der Vorsitzende Klaus Leuchtmann (EBZ Business School). Statt fünf wurden deshalb sechs Preise vergeben.

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Den lautesten Jubel des Abends entfachten die Schüler und Lehrer der Mansfeld-Schule. Die Förderschule in Langendreer überzeugte die Jury als Gewinner gleich mit zwei Projekten. Aus 70 Wimpeln mit Aufschriften wie „Mensch ist Mensch“ und „Gegen Nazis“ wurde eine Girlande geformt, in einem Video mit John Lennons „Imagine“ in Szene gesetzt und als Foto-Kalender für 2023 gestaltet. Zudem zeichneten die Mansfeld-Schüler im Projekt „Remember Frieda“ das Leben eines jüdischen Mädchens in Bochum und ihrer Familie Wegerhoff nach. „Aus dem millionenfachen Leid kristallisierten sie das individuelle Schicksal heraus“, heißt es in der Laudatio.

Berufsschüler dokumentieren das Schicksal eines jüdischen Juristen

Die weiteren Preisträger:

2. Platz: die Ausbildungsklassen der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten des Klaus-Steilmann-Berufskollegs in Wattenscheid, die sich in einem Film (auch mit selbst gespielten Szenen) mit Dr. Wilhelm Hünnebeck beschäftigten. Der jüdische Jurist wurde unter den Nazis verurteilt und flüchtete aus Bochum.

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3. Platz: der evangelische Religionskurs des 6. Jahrgangs der Hildegardis-Schule, der in einem Film über den „Schabatt als Pause vom Alltag“ informiert und die Ge- und Verbote des jüdischen Ruhetages auf das heutige Leben als Jugendlicher projiziert.

4. Platz: fünf Schülerinnen der Berufsfachschule Gestaltung des Emschertal-Berufskollegs in Herne, die künstlerisch anspruchsvolle Kalenderblätter zu zehn ausgewählten jüdischen Feiertagen mit Fotos, Texten und Symbolen gestaltet haben.

Die Hildegardis-Schule freute sich mit Laudator Axel Schäfer (li.) über Platz 3.
Die Hildegardis-Schule freute sich mit Laudator Axel Schäfer (li.) über Platz 3. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Religionskurs entwickelt Stadtrallye mit sechs Stationen

5. Platz: der katholische Religionskurs der Stufe 6 der Heinrich-von Kleist-Schule, der eine Stadtrallye mit sechs Stationen in der Bochumer Innenstadt und Gerthe entwickelt hat: allesamt mit Bezügen zum jüdischen Leben in der NS-Zeit.

Alle Beiträge gibt’s im Internet

Die Mansfeld-Schule gewinnt als Sieger des Dr.-Ruer-Preises 1000 Euro. Die weiteren fünf Schulen erhalten Preisgelder zwischen 500 und 200 Euro.

Alle eingereichten Beiträge sind auf der Internetseite des Freundeskreises der Synagoge Bochum veröffentlicht.

Die Adresse:https://fk-synagoge.de/category/projekte-2022/

6. Platz: die Klasse 9b der Maria Sibylla Merian-Gesamtschule, die mit zehn Schülerinnen und Schülern das Schicksal der jüdischen Familie Schmelz dokumentierte. Fritz Schmelz wurde ebenso im KZ ermordet wie seine Eltern. Ein neu verlegter Stolperstein in Günnigfeld erinnert an die Bochumer NS-Opfer.

OB Eiskirch ruft weitere Schulen zur Teilnahme auf

2024 werden die nächsten Preise verliehen. OB Thomas Eiskirch hofft dann auf einen nochmaligen Rekord. Denn bei aller Freude über die engagierten Schüler und Lehrer ärgere er sich „Jahr für Jahr über die Schulen, die sich nicht an dem Wettbewerb beteiligen“.

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