Bochum-Dahlhausen. Nach 21 Jahren musste Schiedsfrau Marianne Vedder aus Bochum ihr Amt niederlegen – der Gesundheit wegen. Dabei hatte sie noch ein großes Ziel.
Am Klingelschild steht es noch immer: Schiedsfrau. Dabei hat Marianne Vedder ihr Ehrenamt inzwischen niedergelegt – ausgesundheitlichen Gründen. 21 Jahre lang hat sie in Bochum-Dahlhausen versucht, kleinere Streitereien zu schlichten, damit diese nicht vor Gericht landen. Gerne hätte die 88-Jährige damit weiter gemacht. Denn sie hatte noch ein großes, persönliches Ziel.
Bochum: Was eine Schiedsfrau in 21 Jahren so alles erlebte
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„Ich hätte die 25 Jahre gerne noch voll gemacht“, sagt Marianne Vedder und lächelt: „Über 90 und immer noch Schiedsfrau – damit wäre ich bestimmt ins Guinessbuch der Rekorde gekommen.“ Doch die Gesundheit machte ihr einen Strich durch die Rechnung.
Zeit, zurückzublicken. Marianne Vedder sitzt im Wohnzimmer. An dem Tisch, an dem sie in der Vergangenheit auch stets die zerstrittenen Parteien versammelte. „Da ging es schon mal hoch her“, erinnert sie sich. „Da habe ich dann durchaus auch mal auf den Tisch gehauen und gesagt ,Also meine Herren, so doch wohl nicht’.“
Schiedsfrau spricht von guter Erfolgsquote
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Dabei ist die Rentnerin eher der friedfertige Mensch. „Mir war es immer ein echtes Anliegen, dass am Ende alle wieder zusammenfinden.“ Das habe oft geklappt, aber natürlich auch nicht immer. Mehr als die Hälfte ihrer „Fälle“ seien im Guten geendet, sagt Vedder über ihre Erfolgsquote.
Schon immer habe sie ein Händchen fürs Schlichten gehabt, in der Familie wie im Freundeskreis. Irgendwann hatte sie vom Schiedsamt erfahren, auch ein Nachbar in Dahlhausen sei Schiedsmann gewesen. „Das fand ich gut.“
Stolzer Ehemann ließ eigens einen Holzhammer anfertigen
Marianne Vedder bewarb sich bei der Stadt und fing schließlich im Januar 2000 an. „Mein verstorbener Mann Gerd hat erst gedacht, lass sie mal machen. Aber dann war er so begeistert, dass er mir extra einen Holzhammer anfertigen ließ.“ Dieser steht noch immer in ihrer Schrankwand, als Andenken. „Benutzt habe ich ihn nie.“
Ein Schiedsamtbezirk unbesetzt – noch
In Bochum gibt es insgesamt 15 Schiedsamtsbezirke, davon ist der Schiedsamtsbezirk Grumme, Harpen und Gerthe (teilweise) derzeit unbesetzt, teilt die Stadt Bochum mit. Die Wahl einer neuen Schiedsperson für diesen Bezirk ist in der Sitzung der Bezirksvertretung Bochum-Nord am Dienstag, 17. Mai, vorgesehen.Schiedspersonen können alle im Alter von 25 bis 74 Jahren werden, die nach dem Schiedsamtsgesetz NRW nach ihrer Persönlichkeit und ihren Fähigkeiten für das Amt geeignet sind. Das heißt: Man darf nicht vorbestraft sein oder unter Betreuung stehen. Darüber hinaus sind Unparteilichkeit, Einfühlungsvermögen und Verhandlungsgeschick Voraussetzung für eine erfolgreiche Tätigkeit. Interessierte können sich bei der Stadt Bochum, Rechtsamt, Marienplatz 2-4, 44 777 Bochum melden: Tel. 0234 910 -6443.
Die Seniorin aus Dahlhausen kam immer so aus. „Wichtig sind Menschenkenntnis und Fingerspitzengefühl“, sagt sie. Und man müsse in sensiblen Momenten die richtigen Worte finden. Oft ging es bei ihr im Wohnzimmer um die üblichen Nachbarschaftsstreitigkeiten: Zaun zu hoch, zu nah, Hecke wuchert auf die andere Seite – und so weiter. Aber auch um üble Nachrede und Handgreiflichkeiten wurde am Tisch von Marianne Vedder gestritten.
„Einmal saßen hier zwei Männer, die in der selben Firma arbeiteten, sich aber spinnefeind waren“, plaudert Marianne Vedder aus dem Nähkästchen, ohne zu viel zu verraten („Ich habe ja Schweigepflicht“). „Einer hatte dem anderen die Brille kaputt- und einen Zahn ausgeschlagen. Bei mir haben sie sich nach kurzer Zeit ausgiebig über ihre Probleme und den Beruf unterhalten und sich so wieder angenähert. So etwas freut mich, wenn die nachher wieder miteinander sprechen.“
Neuer Schiedsmann für Bochum-Südwest war vorher Polizist
In einem anderen Fall hätte sich ein älteres Ehepaar über die zu laute Musik eines Jugendlichen aus dem Nachbarhaus beschwert. „Der Junge kam allein mit der Straßenbahn zu mir, und nachdem alles geklärt war, haben die Herrschaften ihn mit nach Hause genommen. Schön“, freut sich Marianne Vedder.
Schade findet die Mutter von drei Töchtern, dass vor allem viele Jüngere mit der Bedeutung des Schiedsamtes nichts anfangen können. „Wenn ich erzählt habe, ich sei Schiedsfrau, bin ich schon mal gefragt worden, für welchen Verein ich denn pfeife“, erzählt sie lachend. Dabei sei dieses Amt durchaus wichtig, um teure Gerichtsverfahren zu vermeiden. Eine Schiedsperson treffe ,vorrichterliche’ Entscheidungen, sagt Marianne Vedder. „Und die haben 30 Jahre Gültigkeit. Ein Streit am Gartenzaun kann ja immer wieder entflammen.“
Ihrem Nachfolger Michael Friedel wünscht Marianne Vedder alles Gute. Friedel wurde gerade von der Bezirksvertretung Südwest in sein Amt gewählt. Der neue Schiedsmann war 38 Jahre lang Polizist, zuletzt in Herne/Wanne-Eickel. „Zum 1. Juni 2021 bin ich in den Ruhestand gegangen, fühle mich vom Kopf aber noch ganz fit und dachte mir, dass ich noch etwas ehrenamtlich machen möchte.“ Und so wurde er nun Schiedsmann.