Bochum. Der Bochumer Mahmut Günes darf die Türkei wegen „Terrorpropaganda“ nicht verlassen. Seine Anwälte zeigen sich besorgt – es gibt weitere Vorwürfe.

Auch knapp vier Monate nach seiner überraschenden Entlassung aus dem türkischen Gefängnis sitzt der Bochumer Pizzabäcker Mahmut Günes weiter in der Türkei fest. Der türkische Staat wirft dem 46-Jährigen mit kurdischen Wurzeln Propaganda für eine Terrororganisation vor. Er hatte in den sozialen Medien, genauer auf der Kurznachrichtenplattform Twitter, regierungskritische Inhalte von kurdischen Journalisten geteilt.

Im Oktober wurde der Bochumer zu einer harten Haftstrafe verurteilt: Für zwei Jahre, neun Monate und 22 Tage sollte der Bochumer ins Gefängnis, seine Anwältinnen gingen in Berufung und sorgten dafür, dass Günes die Zeit nicht in Untersuchungshaft, sondern bei Familienangehörigen in Istanbul verbringen konnte. Nach Deutschland ausreisen durfte er nicht. Und obwohl Mahmut Günes sich Ende 2021 noch hoffnungsvoll geäußert hatte, dass er in Kürze wieder nach Hause dürfe, hat sich an seiner Situation nichts geändert.

Mahmut Günes in der Türkei festgenommen – weitere Anklagen

Im Gegenteil: Seine Anwältin Heike Geisweid geht davon aus, dass die Berufung zurückgewiesen wird. Zusätzlich habe es zwei weitere Ermittlungsverfahren gegeben, eines wegen Verunglimpfung des türkischen Staates, das sei mittlerweile aber wieder eingestellt worden.

Zu dem zweiten Verfahren gibt es einen Prozesstermin am 15. Juni. „Das ist überhaupt nicht gut, wir machen uns alle große Sorgen. Ich habe den Eindruck, dass man gesucht hat, was man Mahmut Günes noch anhängen kann.“ So sei sein Twitter-Profil wohl erneut überprüft worden. Es gebe extra Abteilungen für Cyberkriminalität in der Türkei.

Auch Mahmut Günes zeigt sich im Gespräch mit der Redaktion besorgt. „Mal habe ich ganz positive Gedanken, mal nur negative“, sagt der 46-Jährige. „Ich glaube schon, dass ich eine Strafe bekomme.“ In Bochum hatte es Mahnwachen gegeben, doch nach mehreren Monaten scheint der „Fall Günes“ aus der Öffentlichkeit verschwunden zu sein. „Es gibt wohl auf parlamentarischer Ebene weitere Versuche, zu einer Einigung zu kommen.

Anwälte planen neue Mahnwache für Mahmut Günes

Andere deutsche Staatsangehörige konnten ausreisen“, sagt Anwältin Heike Geisweid. Mahmut Günes berichtet, dass sich die deutsche Botschaft einmal im Monat beim ihm melde und sich nach seinem Befinden erkundige. „Aber das reicht nicht.“

Noch im Oktober hatte es Mahnwachen für Mahmut Günes gegeben.
Noch im Oktober hatte es Mahnwachen für Mahmut Günes gegeben. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Beinahe wäre Mahmut Günes vor Kurzem erneut im türkischen Gefängnis gelandet, wo er bereit 109 Tage gesessen hatte. Die türkischen Behörden – so erzählt es seine Anwältin – hätten behauptet, er sei in der Türkei nicht gemeldet und müsse deshalb erneut in Untersuchungshaft. „Hätte seine türkische Anwältin nicht schnell reagiert, säße er nun sicher wieder in Haft.“

Das hatte Mahmut Günes im Gespräch mit der WAZ zuletzt als „Folter“ bezeichnet. Er sei zwar nicht körperlich misshandelt worden. Gerade die ersten Wochen in Einzelhaft – komplett isoliert, ohne Informationen von außen – seien aber sehr schwer gewesen. „Das ganze Verfahren beruht nur darauf, dass man als Kurde schweigen soll.“ Seine Anwältinnen wollen für April eine Mahnwache organisieren, um auf das Schicksal des Bochumers aufmerksam zu machen.