Bochum. Im Prozess gegen Verantwortliche des Bochumer Corona-Testers Medican ist der Hauptangeklagte belastet worden. Stundenlang sagte eine Zeugin aus.
Die unter Betrugsverdacht stehende Firma Medican aus Bochum wird in Kürze von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) aufgefordert, ausgezahlte Erstattungsgelder zurückzuzahlen. „In der nächsten Woche wird ein Rückforderungsbescheid an Medican versandt“, sagte am Donnerstag vor dem Landgericht eine Volljuristin (29), die bei der KVWL für Abrechnungen von Leistungen zuständig ist.
Sie ist eine wichtige Zeugin im Prozess gegen zwei ehemalige Verantwortliche (48, 26) von Medican, die im vorigen Frühjahr viele Millionen Euro Umsatz mit Corona-Schnelltests gemacht hatten. Laut Anklage soll die Firma falsch und viel zu viele Tests – fast eine Million – bei der KVWL abgerechnet und so in nur zwei Monaten einen Schaden von 25,1 Millionen Euro angerichtet haben. Die Angeklagten bestreiten. Der Hauptangeklagte (48) sitzt seit sieben Monaten in U-Haft.
Angeklagter soll ständig bei der kassenärztlichen Vereinigung angerufen haben
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Über welche Summe der Rückforderungsbescheid erfolgt, wurde nicht bekannt. Insgesamt soll die KVWL 35 Millionen Euro für die Schnelltests im März und April 2021 gezahlt haben.
In ihrer mehrstündigen Vernehmung vor der 6. Wirtschaftsstrafkammer belastete die Zeugin den Hauptangeklagten schwer. Sie sah ihn im Gerichtssaal das erste Mal, telefonisch allerdings hatte sie damals ständig mit ihm zu tun. „Wir hatten oft Kontakt, sehr oft.“ Er sei sehr beratungsintensiv gewesen. Einmal habe ihr eine Kollegin „aufgebracht“ erklärt, dass der 48-Jährige „sechsmal angerufen und gefragt habe, wann die Gelder ausgezahlt werden“.
Zeugin: „Ich habe ihm gesagt, er muss in jeder Teststelle einen Arzt haben“
Laut Anklage soll er auch ärztliche Leistungen abgerechnet haben, obwohl gar kein Arzt zugegen gewesen sei; so seien jeweils 15 statt zwölf Euro pro Test kassiert worden. „Ich habe ihm gesagt, er muss in jeder Teststelle einen Arzt haben“, sagte die Zeugin den Richtern. Das aber habe er doch sicher nicht. „Da hat er gelacht und gesagt: Doch, das lohnt sich.“
Nach der Rechtsauffassung der Zeugin ist eine erhöhte Abrechnung auch dann nicht gerechtfertigt, wenn zwar – wie in diesem Fall – ein Arzt irgendwo in der Firma tätig, aber nicht beim Testen anwesend sei.
Problematisch für den Hauptangeklagten könnten auch fehlende Nachweise über die Tests sein. „Ich habe ihm gesagt“, so die Zeugin, „dass es äußerst wichtig ist, zu dokumentieren, welche Tests wie und wann durchgeführt wurden.“ Am besten mit Name und Anschrift jeder Person. Eine solche Dokumentation liege aber bis heute nicht vor.
Auszahlungen in Millionenhöhe erfolgten „vollautomatisch“
Bei der KVWL eingereicht hatte die Firma Medican ihre Millionen-Forderungen über eine elektronische Datei. Mangels Prüfung wurde es ihr offenbar sehr leicht gemacht. „Wir haben 4000 Leistungserbringer, wir gucken nicht jede Datei an“, sagte die Zeugin. Die Auszahlung sei „vollautomatisch“ erfolgt.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Zeugin den Hauptangeklagten wegen seiner vielen Anrufe einmal so zitierte: „Er hat gesagt, er wolle alles richtig machen und richtig abrechnen.“
Der Prozess wird fortgesetzt.