Bochum. „Flutweine“ in schlammbedeckten Flaschen werden bei der Weinmesse in der Bochumer Jahrhunderthalle verkauft. Die Winzer an der Ahr profitieren.
Je dreckiger, desto gefragter. „Die meisten Spender bitten: ,Geben Sie mir die schäbigste Flasche’“, sagt Michael Berger, Sprecher der Weinmesse Rheinland-Pfalz, die in der Jahrhunderthalle mit einer bislang beispiellosen Aktion aufwartet. Zugunsten der Winzer an der Ahr werden „Flutweine“ mit Schlamm-Anhaftungen vom Jahrhundert-Hochwasser im Juli verkauft.
Die Weinmesse schreibt ein Stück Geschichte. Im März 2020 war sie die letzte Veranstaltung in der Jahrhunderthalle vor dem Corona-Lockdown. Nun kehrt sie als erste Publikumsmesse in den Westpark zurück – erstmals seit 14 Jahren nicht im Frühjahr, sondern im Herbst.
Weinmesse verzeichnet deutlich weniger Besucher
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Seit Freitag präsentieren 40 Weinbaubetriebe von der Mosel und Nahe, aus der Pfalz und Rheinhessen ihre Erzeugnisse. Die Resonanz bleibt deutlich hinter den Vorjahren zurück. Mit insgesamt 1400 Besuchern rechnet Michael Berger bis Sonntagabend (noch bis 18 Uhr). In „normalen“ Jahren sind es mehr als 4000. Es gilt die 2G-Regel. Die Masken dürfen nur an den Probierständen abgenommen werden. „Das funktioniert sehr gut“, berichtet Michael Berger.
Vor einem XXL-Weinberg-Plakat mit der Aufschrift „Ahr“ steht Messe-Mitarbeiterin Erna Schäfer am Flutwein-Stand. 500 Flaschen aus dem Katastrophengebiet haben die Rheinland-Pfälzer nach Bochum mitgebracht. Allesamt verschlammt und verschmutzt („Design made by Nature“), aber noch trinkbar. „Das wurde im Labor geprüft“, wird betont.
„Flutwein“ wird für zwölf Euro verkauft
Für eine Spende von zwölf Euro gibt’s einen Flutwein. „Die Nachfrage ist groß, auch wenn wir wohl nicht alle 500 Flaschen verkaufen werden“, sagt Michael Berger. Blitzsauber sind die Flaschen, die die Messe-Winzer für die Hilfskampagne bereitgestellt haben. Ein Karton mit drei Weinen kostet 20 Euro. Alle Einnahmen sind für die betroffenen Betriebe an der Ahr bestimmt.
Wackelt die 1Live-Krone?
Nächste Großveranstaltung in der Jahrhunderthalle ist am 9. Dezember die 1Live-Krone. Ob der Radio-Preis wie geplant vergeben wird, ist wegen der rasanten Corona-Entwicklung aber nicht sicher.Zwar gebe es ein umfangreiches Sicherheits- und Hygienekonzept, teilt eine Sprecherin mit. Dessen Umsetzbarkeit werde jedoch laufend überprüft. „Auf dieser Grundlage wird die finale Entscheidung zur Form der diesjährigen Verleihung zu gegebener Zeit getroffen.“
2500 Euro kamen bisher an Spenden zusammen. Jeder Euro zählt. „Der Schaden, den die Flut allein für den Weinbau angerichtet hat, wurde kürzlich noch einmal nach oben korrigiert: auf 450 Millionen Euro“, schildert Berger. Vielfach herrsche Existenznot. „60 Hektar Flachflächen sind mit ausgelaufenem Öl kontaminiert. Das komplette Erdreich muss ausgeschachtet werden. Es ist nicht sicher, wann hier wieder Wein angebaut werden kann.“
Neuauflage ist für März 2022 geplant
Ungewiss ist auch, wann die Winzer 2022 in der Jahrhunderthalle einschenken. Zwar ist vorgesehen, vom 11. bis 13 März in den Frühjahrs-Modus zurückzukehren. Die Entwicklung der Corona-Pandemie setzt dabei aber noch Fragezeichen.
Fraglos ist, dass auch bei einer Neuauflage die Solidarität mit den Ahr-Winzern einen Schwerpunkt bilden wird. Mit oder ohne „Schlamm-Flaschen“. Die verstehen die meisten Käufer als Dokument der Zeitgeschichte. Erna Schäfer: Ich höre ganz oft, „Die Flasche bleibt zu.“