Bochum. Die Lage in Afghanistan ist verzweifelt. Der Bochumer Arian Hassib versucht alles, um seinen Angehörigen dort zu helfen. Sie wollen flüchten.

Tagelang haben sie gehofft und gebangt, haben sich an immer neuen Orten in Kabul versteckt – immer in der Hoffnung, Afghanistan noch mit dem Flugzeug verlassen zu können. Jetzt aber, da Deutschland die Evakuierung von Menschen aus Kabul beendet hat, sucht die Familie des Bochumers Arian Hassib ihr Heil in der Flucht über Land.„Wir haben heute morgen telefoniert und uns entschieden, dass sie raus aus Kabul müssen.“ Plan B. Die neue Hoffnung heißt Tadschikistan.

Nur das Nötigste zusammenpacken

„Sie werden nur das Nötigste zusammenpacken und sich so bald wie möglich auf den Weg dorthin machen“, erzählt der 35-jährige Bauingenieur, der seit sieben Jahren mit Frau und Kind (2) in Bochum lebt. Brüder, Schwägerinnen, Nichten und Neffen sind noch in Afghanistan. „Und ihr Leben ist in Gefahr“, sagt Hassib.

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Von Christian Unger, Jan Jessen, Miguel Sanches und Miriam Hollstein

Ob sie in Tadschikistan einreisen dürfen, ist unklar. „Es bleibt nur die Hoffnung. Worauf sollen meine Leute warten? Darauf, dass die Taliban kommen und ihnen die Köpfe einschlagen?“ Es gebe keine andere Möglichkeit, als zu versuchen, so schnell wie möglich die Hauptstadt und dann das Land zu verlassen. Zwei seiner Brüder haben als Übersetzer für die US-Streitkräfte gearbeitet, ein anderer sei dort als Elektrotechniker beschäftigt gewesen. Der Schwager habe als IT-Manager für die Luftfahrtbehörde gearbeitet. „Die Amerikaner haben angeblich den Taliban Listen mit den Namen von Ortskräften übergeben.“

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Geld für die Reise schicken

Hassibs Verwandte werden nicht die Einzigen sein, die jetzt versuchen über Land zu flüchten. Und der Bochumer hofft, die deutsche Regierung werde sich gegenüber Tadschikistan für eine Grenzöffnung stark machen.

Ein bis eineinhalb Tage werde es nach seiner Schätzung mit Autos dauern, um die knapp 300 Kilometer bis nach Kundus zu schaffen und dann vielleicht am Tag darauf an die tadschikische Grenze zu gelangen. So schnell wie möglich möchte Arian Hassib seinen Angehörigen über Privatpersonen das Geld für die Reise zur Verfügung zu stellen. Ob das gelingt, ist noch unklar. Aber: Sie brauchen das Geld, um sich ein oder mehrere Autos für die Fahrt zu mieten. „Die Banken sind zu und verkaufen können sie nichts. Sie können nur ein paar Sachen packen, die Haustür schließen und sich auf den Weg machen.“

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Psychische Belastung ist groß

Körperlich, so erzählt Arian Hassib, seien alle noch unversehrt. „Aber die psychische Belastung ist ungeheuer. Ich mag mir das gar nicht vorstellen.“ Vor allem die Kinder hätten in der Nacht der Bombenexplosion auf dem Flughafen von Kabul viel geweint. Es seien kriegsähnliche Zustände gewesen. „Und es war nicht die einzige Explosion.“

Viel Zeit gibt es nicht, da ist sich der Bochumer sicher. „Nächste Woche wird in Kabul das Chaos herrschen und wer weiß, ob es auch noch zu Kämpfen zwischen den Taliban und dem IS kommen wird.“ Das Internet funktioniere zwischenzeitlich schon nicht mehr. Momentan sei er froh, überhaupt noch mit seinen Verwandten telefonieren zu können.