Bochum. Die WAZ-Serie „Wer bietet mehr?“ fördert es zutage: Das älteste Buch in Bochum ist 521 Jahre alt. Aber es gibt noch ähnlich betagte Schätze.
Die Liste der ältesten Bücher in Bochum hat einen neuen „Spitzenreiter“: Willi Köhne besitzt ein Exemplar aus dem Jahr 1500.
Das älteste Buch von Bochum ist gefunden!
Die 521 Jahre sieht man dem schmalen Büchlein im Oktav-Format nicht an, obschon es natürlich, stockfleckig und abgenutzt, von der Zeit gezeichnet ist. Gleich auf der Aufschlagseite steht das Druckdatum 1500. Willi Köhne ist stolz: „Das Buch ist nur 50 Jahre jünger als die Erfindung des Buchdrucks“, stellt er zufrieden fest.
Der Bochumer ist langjähriger Vorsitzender der deutsch-italienischen Gesellschaft Cicuit und leidenschaftlicher Sammler von Reiseliteratur zum Thema Italien. Als solcher hält er stets die Augen offen, das war auch vor reichlich 20 Jahren bei der Ruhr-Antiquaria in der Stadthalle Wattenscheid so. „Eher durch Zufall fiel mir das Büchlein auf“, erinnert sich Köhne. Der im Bandwurmtitel „Die wundersame verwunderliche Wunder, so in der Statt Rom den großen römischen Binkorb zu finden“ versteckte Name Roms weckte sein Interesse.
Historischer Reiseführer kritisiert den Reliquien-Kult in Rom
Tatsächlich, so fand Köhne später durch Recherchen heraus, gehört das Bändchen zu einer 1475 erstmals erwähnten Schriftenreihe „Mirabilia urbis Romae“ und ist eine Art früher Reiseführer. Rom war damals schon ein großes Pilgerziel, 1500 war ein „Heiliges Jahr“. Für die Rom-Fahrer wurden Heftchen gedruckt, die etwa über die wichtigsten Kirchen informierten, die man besucht haben musste, um in den Genuss eines „Ablasses“ seiner Vergehen zu kommen.
Exakte Quellenforschung wäre eine wissenschaftliche Aufgabe
Köhnes Reiseführer ist aber einer, der aus kirchenkritischer Sicht verfasst wurde. „Man kann ihn als polemisch-kämpferische Schrift gegen Reliquienverehrung und Ablasshandel lesen“, so Köhne. Bekanntlich war der Verdruss über den florierenden Ablasshandel der Katholischen Kirche (=Sündenerlass gegen Geldspende) später ein wichtiger Anstoß für das Aufkommen der Reformation durch Martin Luther ab 1517.
Wie die genauen geschichtlichen Zusammenhänge in Bezug auf sein Büchlein sind, weiß Willi Köhne nicht: „Es muss eine andere als eine protestantische Quelle für diese Kampfschrift geben. Das zu erforschen, wäre aber eine wissenschaftliche Aufgabe.“
Auf den großen Reformator aus Wittenberg bezieht sich auch das zweitälteste Buch, das nach dem WAZ-Aufruf „Wer bietet mehr?“ aufgetaucht ist. Es handelt sich um eine Schrift Martin Luthers mit dem Titel „An den Bock zu Leyptzck“ von anno 1520, Besitzer ist Günter Brakelmann aus Querenburg.
Luther-Schriften stammen aus den Jahren 1520 und 1521
Besagte Schrift - eine Polemik gegen die katholischen Erwiderungen auf die Ideen der Reformation - und eine weitere („Vom Eelichen leben D. Mar. Luth.“, gedruckt 1521) sind der Stolz des emeritierten Theologie-Professors, der eine ganze Reihe von Luther-Büchern – wenn auch jüngeren Datums – in seiner Bibliothek bewahrt. „Ich bin Luther-Fan“, sagt der bald 90-Jährige, der wie kein Zweiter für den Brückenschlag von Universität, Kirche und Sozialgeschichte des Ruhrgebiets steht.
Historische Luther-Schriften waren ein Geschenk
Entsprechend waren die frühneuzeitlichen Martin-Luther-Schriften ein Geschenk: „Damit wollte man mir damals eine besondere Freude machen“, erinnert sich Günter Brakelmann. Wohl 20 Jahre sei das her, seitdem hängen die schmalen Heftchen schön gerahmt an der Wohnzimmerwand.
Allerdings dienen die Einfassungen nicht bloß als Schmuck: „Die Hefte sind damit auch geschützt, sie sollen nicht mit Luft in Berührung kommen und auch nicht angefasst werden“, so Brakelmann, der seinerzeit konservatorischen Rat einholte. Um dennoch gelegentlich in Luther Gedankenwelt schwelgen zu können, hat der Querenburger Schriftgelehrte die historischen Seiten fotokopieren und binden lassen.
Wer bietet mehr?
Die WAZ-Serie „Wer bietet mehr?“ fragt nach alten und ältesten Gegenständen in Bochum. Mit Klaus Blum und seinem Opel-Oldie startet die Reihe. Nun ist auch geklärt, in welchem Bochumer Regal das älteste Buch steht.
Die Frage „Wer bietet mehr?“ wird aber weiter gestellt. Aktuell ist von Interesse, in welcher Kammer die älteste Konservendose in Bochum aufbewahrt wird.
Der WAZ-Aufruf zum ältesten Buch in Bochum brachte eine ganze Reihe von Leser-Meldungen hervor. Neben Köhnes Rom-Buch von 1500 und Brakelmanns Luther-Schrift von 1520 finden sich drei weitere Bücher aus dem 16. Jahrhundert unter den ältesten Exemplaren.
Drei weitere Bücher aus dem 16. Jahrhundert
Es sind dies: „Vitruvius Teutsch“, eine Sammlung von Gedanken des römischen Ingenieurs und Architekturtheoretikers Marcus Vitruvius Pollio von 1548, das sich im Besitz des Bochumer Architekten Roman Reiser befindet; eine Auslegung über das Erste Buch Mose von Reformator Martin Luther von 1588, das Erik Daehnicke und Gerhard Katzer besitzen, sowie Philipp Melanchthons „Christliche Lehre“ von 1562, im Besitz von Peer Witte.