Bochum. Landwirt Florian Westerhoff (22) aus Wattenscheid hilft bei Aufräumarbeiten nach der Flutkatastrophe im Ahrtal. Was er erlebt, schildert er hier.

Die Gaststätte „Bunte Kuh“ direkt an der Ahr ist Basisstation für die Helferinnen und Helfer, die ihre Tage damit verbringen, den Fluss aus Häusern und von den Straßen zu schaffen. Seit Sonntag ist auch der Wattenscheider Landwirt Florian Westerhoff (22) im von der Hochwasser-Katastrophe besonders betroffenen Ahrtal dabei und hilft, die zerstörten Ortschaften in der Wein-Region wieder aufzubauen.

Landwirt Florian Westerhoff hat in kurzen Pausen einige wenige Bilder von der Zerstörung im Ahrtal gemacht.
Landwirt Florian Westerhoff hat in kurzen Pausen einige wenige Bilder von der Zerstörung im Ahrtal gemacht. © Florian Westerhoff

Vor wenigen Tagen noch war die „Bunte Kuh“ das einzige Haus, in dem im verwüsteten Ahrweiler Licht brannte. Tagsüber ackern nun die Männer und Frauen um Landwirt Florian Westerhoff im flussabwärts liegenden Marienthal mit Baggern, Radladern, Schaufeln und den bloßen Händen. Sie schmeißen verschlammte Sofas auf die von Müll versperrte Straße, zerren zerstörte Leben in die schlammig-braunen Vorgärten der idyllischen Wein-Stadt.

Hochwasser-Katastrophe in Ahrweiler – Freunde bergen ertrunkene Menschen

Abends dann steht immer irgendwo ein Grill mit Würstchen oder ein vom Catering-Unternehmen gespendetes Essen. Dann – in den Momenten der Ruhe – kommen die Bilder. „Wir reden miteinander, um zu verarbeiten“, sagt Florian Westerhoff. Die Angst, dass in der zerstörten Garage, in der das Wasser bis zur Decke gestanden haben muss, doch noch ein Mensch liegt. Tot oder lebendig. „Wenn ich mit meinem Radlader ins Haus fahre, dann habe ich jedes Mal Sorge, dass ich eine Leiche finde. Dass ich vielleicht sogar über einen noch lebenden Menschen fahre“, sagt Florian Westerhoff.

Zerstörte Häuser, zerstörte Autos. „Man kann die Zerstörung nicht in Worte fassen“, sagt Florian Westerhoff.
Zerstörte Häuser, zerstörte Autos. „Man kann die Zerstörung nicht in Worte fassen“, sagt Florian Westerhoff. © Florian Westerhoff

Freunde von ihm waren direkt nach der Hochwasser-Katastrophe in der vergangenen Woche da. Aus dem Flussbett hätten sie ertrunkene Menschen geborgen. Dann riefen sie an: „Florian, du musst kommen. Hier ist Weltuntergang, wie im Kriegsgebiet.“

Sie haben da schon gesehen, wie der Fluss die Eisenbahnschienen in sein Bett gerissen hat, wie Autos auch Tage nach der Flut noch aufeinander gestapelt liegen. Der Landwirt zögert nicht lange: Organisiert einen Anhänger, packt den Radlader vom Familien-Hof an der Westenfelder Straße darauf und reist ins Katastrophengebiet.

Landwirt macht sich mit zwei Lastwagen auf den Weg ins Katastrophengebiet

Mit zwei Lastwagen – vollgepackt mit Spenden – fahren der Landwirt und seine Freunde am Sonntag in Richtung Ahrweiler. „Wenn man auf der Fahrt die Kolonnen von Feuerwehr, THW und Hilfsorganisationen sieht, dann weiß man schon, dass das kein Scherz ist.“

Eine Brücke hat die Ahr tief in ihr Bett gerissen.
Eine Brücke hat die Ahr tief in ihr Bett gerissen. © Florian Westerhoff

Von morgens bis abends fahren sie in diesen Tagen Garagen leer, stehen bis zur Hüfte in verschlammten Wohnzimmern, zerren Kühltruhen voll aufgetaut-stinkendem Fleisch aus den Kellern. „Da dreht es einem schon manchmal den Magen um.“ Der Müll landet überall dort, wo Platz ist – und davon ist nicht viel zwischen den engen Weinbergen. „Auf den Felder liegen riesige Müllberge. Man weiß einfach nicht mehr, wohin damit.“ Der Boden ist noch immer feucht und schlammig. Überall liegen Metallstücke. Acht Mal hat der Radlader einen Platten.

„Man kann die Zerstörung nicht in Worte fassen“

Abwasser und Strom machen in der Gegend weiter Probleme. Einer alten Dame schleppen die jungen Männer deshalb ein Dixie-Klo in die erste Etage. „Viele Anwohner sind bei Freunden oder Familie untergekommen. Manche wohnen auch in der ersten Etage ihrer Häuser“, erzählt Florian Westerhoff.

Genug Sachspenden

Anziehsachen, Hygieneartikel und Lebensmittel haben die Helferinnen und Helfer in den ersten Tagen ins Ahrtal gebracht. „Davon gibt es genug“, sagt Florian Westerhoff. Die Menschen wüssten teilweise gar nicht mehr, wohin mit den Anziehsachen. Auch von Hilfsorganisationen heißt es, dass Sachspenden nicht mehr benötigt werden.

Wer helfen möchte, kann das auch über die Aktion von WAZ und Caritas machen. Bereits 1,8 Millionen Euro sind darüber zusammengekommen. Das Geld hilft bereits jetzt da, wo Hilfe dringend nötig ist: Familien aus Bad Münstereifel, die bei Schleiden eine Unterkunft in einem Pfadfinderheim gefunden haben; Familien in Balve im Sauerland, die Bargeld erhalten haben; älteren Menschen in Erftstadt, deren Pflegeheim evakuiert wurde.

Hier können Sie spenden: Caritas Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe. IBAN: DE88 6602 0500 0202 0202 02,Verwendungszweck: Funke hilft - CY00899

„Man kann die Zerstörung nicht in Worte fassen“, sagt Florian Westerhoff, der mit Mensch und Maschine am Mittwochmittag wieder auf dem Rückweg nach Wattenscheid ist. Das Auto ist voller Weinflaschen – ein Dank der Anwohner aus dem Ahrtal und häufig das Einzige, das den Menschen geblieben ist. „Die Leute sind so dankbar. Trotz des Grauens ist das eine schöne Atmosphäre, jeder hilft jedem!“

Jetzt geht die Ernte auf dem Hof in Wattenscheid erst einmal vor. Aber für Florian Westerhoff steht fest: „Sobald ich Zeit finde, fahre ich wieder dahin. Ich möchte beim Aufbau helfen!“