Bochum-Dahlhausen. In Dahlhausen hat das Aufräumen nach dem Hochwasser begonnen. Wieso Anwohner nun noch vehementer das Bauprojekt Am Ruhrort kritisieren

Beschädigte und überflutete Straßen, vollgelaufene Keller, verzweifelte Anwohner. In Bochum-Dahlhausen ist die Hochwasserlage auch am Freitag dramatisch. Am Ruhrort hat sich die Nachbarschaft zum ersten Aufräumen zusammengefunden. Die Stimmung ist gedrückt, die Hilfsbereitschaft unter den Anwohnern groß.

Bochumerin: „Jetzt heißt es trocknen, aufräumen und wegschmeißen“

Gegen frühen Mittag steht das Hochwasser der Ruhr auf sechs Metern, teilt ein Mitarbeiter der Stadtwerke mit. Wasser effizient abzupumpen sei somit noch nicht möglich. Überall probieren Menschen zumindest einen Teil des Schadens zu begrenzen. Voller Tatendrang sind Elke Cadun und Heike Tenberg. Die Nachbarinnen wohnen in einer alten Villa am Anfang der Straße Am Ruhrort. Ihr Garten gleicht einem Teich, der Keller ist voller Wasser, das weiter durch das Gebäude fließt. Es klingt, als stünde man an einem unterirdischen Bach. Die Waschmaschine, der Trockner, die Heizung — alles sei kaputt, nur kleinere Gegenstände wurden Donnerstagabend in Sicherheit gebracht, erzählen die Frauen. Als könne sie es selbst noch nicht richtig fassen, steht Cadun inmitten des Geschehens. Doch sie behält die Nerven. „Wenn ich die Bilder aus anderen Regionen sehe, kann ich nur sagen, wir sind alle gesund und munter. Es lässt sich alles ersetzen“, so Cadun. „Jetzt heißt es trocknen, aufräumen und wegschmeißen“.

Entsetze Anwohner: Vollgelaufener Keller und Wasser im Erdgeschoss

Pures Entsetzen herrscht einige Häuser weiter. Claudia Schlünkes wohnt in einem Neubau, dessen Keller unter Wasser steht. Das Zuhause ihrer Familie war in der Nacht den Wassermassen schier ausgeliefert. Im Flur des Hauses führt eine Treppe durch die Stockwerke. Auf der Kellertreppe steht das Wasser bis zur obersten Stufe, sodass man es vom Wohnzimmer aus sehen kann — ein skurriler Anblick. Am Morgen reichte es noch ins Erdgeschoss, erzählt Schlünkes. Inzwischen sei es wieder begehbar, doch der Schaden sei groß. Freunde und Nachbarn sind zum Helfen da. Alle sind beschäftigt und stehen dem Wasser trotzdem machtlos gegenüber. Schlünkes steht der Schock der vergangenen Nacht ins Gesicht geschrieben. Wie es mit ihrem Zuhause weitergeht, sei kaum abzusehen. „Man weiß ja gar nicht, welche Auswirkungen das hat, zum Beispiel was mit der Bausubstanz ist“, sagt Schlünkes und ringt um Fassung.

Bebauungspläne „Am Ruhrort“ geraten erneut in heftige Kritik

Das Hochwasser ruft am Freitag ein Dauerthema in der Siedlung auf den Plan: Das geplante Neubaugebiet mit 64 Wohneinheiten. Wo künftig gebaut werden soll, steht aktuell meterhoch Wasser. Von den Gärten, die neuem Wohnraum weichen sollen, sind nur noch die oberen Spitzen von Pflanzen und die Hälfte der Gartenlauben zu sehen. Überall flammen Diskussionen über das Bauvorhaben auf. Viele Kritiker der geplanten Neubausiedlung fühlen sich in ihrer Angst bestätigt, dass die Versiegelung der Fläche die Hochwassergefährdung verschlimmere. Die derzeitige Lage sehen sie als Beweis für ihre Bedenken. Die Fläche des zukünftigen Neubaugebietes sei derzeit das einzige natürliche Wasserrückhaltebecken in Dahlhausen diesseits des Bahndamms, heißt es.

Horst Petzker wohnt unmittelbar neben der Fläche, die zur Bebauung vorgesehen ist. Das potenzielle Baugelände soll aufgeschüttet werden. Petzer versetzt das in Sorge. Was passiert, wenn es erneut zu Starkregen und Überflutungen kommt? „Nach der Aufschüttung liegen die Häuser bis zu ein Meter höher als die Siedlung. Da muss man sich ja fragen, wo die Wassermassen, die das Gebiet aufgenommen haben, nun bleiben.“ Er hat Angst, dass sein Grundstück in einer solchen Situation den Wassermassen schutzlos ausgeliefert sei.

Treff des Ifak e. V. ebenfalls betroffen

Auch das Stadtteilzentrum Ifak e.V. ist von dem Hochwasser in Dahlhausen betroffen. Gestern sei man noch im Glauben gewesen, von den Wassermassen verschont zu bleiben, berichtet die Leiterin Ayse Ertürk. Doch am Freitag sei der Keller voller Wasser gewesen. Eigentlich hatte diese Woche ein Feriencamp stattfinden sollen, das ist nun abgesagt worden.

Ein skurriles Bild gibt am Freitag ein Amazon-Fahrer ab, der aufgrund der Sperrung mit seinem Lieferwagen nicht in die Siedlung kommt. Nach einem Moment der Ratlosigkeit verteilt er die Pakete kurzerhand zu Fuß an ihre Empfänger, die überall in der Siedlung verteilt stehen.